Alternative Systemmedien

Alternative Systemmedien

Eine Nachlese zum Artikel „Wahrheit oder Abgrund

Sehr geehrte Redaktion.

Nach Ihrer freundlichen Erläuterung der Ablehnung einer Veröffentlichung meines Artikels möchte ich nochmals die Gelegenheit ergreifen, Ihnen für Ihre Worte zu danken. Da ich gerne hin und wieder Ihr Magazin lese, war mir schon klar, dass der Text herausstechen würde und möglicherweise mit der Redaktionslinie kollidiert. Kein Problem hiermit. Ich habe allerdings Ihre Argumente geprüft und mit ein bis zwei Ausnahmen, auf die ich gleich eingehen werde, kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass es dem Text selbst dort, wo er ausdrücklich wurde, leider nicht gelungen ist, sich beim Rezipienten verständlich zu machen.

Ob das nun an meiner Art des Ausdrucks liegt oder den Umständen, in denen der Redakteur sich bewegte, geschuldet ist, bleibt dahingestellt. Es geht mir nicht darum, Ihnen die Missverständnisse aus- oder die Veröffentlichung einzureden, aber ich glaube, Sie verdienen eine Antwort, als Mitmensch, als Mitdenker, und das um so mehr, als sich aus Ihrer Begründung einige Überlegungen und Fragen bezüglich der alternativen Medienlandschaft ergaben.

Ihre Beobachtung, dass ich eine „Alles-oder-nichts“-Haltung bezüglich Gut und Böse einnehme, ist völlig korrekt, und sie ist von zentraler Bedeutung für die Implikationen hinsichtlich des Widerstands gegen die Globalisierungsagenda. Man kann eine teils wahre, teils falsche Auffassung vom Bösen haben, aber man kann nicht ein bisschen gut oder neutral handeln. (Analog: Ich kann an den Klapperstorch oder an die Biologie glauben, aber ich kann nicht ein bisschen schwanger sein.) Das ergibt sich aus den Prinzipien des Naturrechts, das in sämtlichen mir bekannten Religionen und einer Reihe von Philosophien verankert ist, wenn auch häufig begraben unter allerlei widersprüchlichem Ballast. So schreibt beispielsweise Sri Aurobindo:

Wenn man neutral bleibt, Kompromisse schließt oder sich gar passiv verhält, gewährt man den feindlichen Kräften Zutritt, um die Wahrheit und ihre Kinder zu zerstören. – Sri Aurobindo: Briefe über den Joga Bd. 2, Sektion 3, Kap. 2

Der laufende „Takeover“ von Auroville gibt ihm recht, denn hier zeigt sich, dass säkularisierte Spiritualität, relativierte Definitionen und subjektive Moralität im Verein mit Furcht vor persönlichen Konsequenzen viele Menschen daran hindern, aktiv für das Wahre, Gute und Schöne einzutreten. So verhelfen sie dem entmenschlichenden System zu Erfolg, ohne selbst ihre Hände schmutzig gemacht zu haben. Dürfen sie diese in Unschuld waschen? Ich glaube nicht.

Sie brauchen die obigen Auslassungen selbstverständlich nicht für bare Münze zu nehmen, und natürlich steht es Ihnen genau so frei wie Ihren atheistischen Lesern, Zweifel daran anzumelden. Für diesen Personenkreis habe ich durchaus Mitgefühl; ich war lange genug selbst dabei. Was ich allerdings bedenklich finde, ist die Vorstellung, dass es eben jenen Atheisten – die wohl kaum zur Gänze Ihre Leserschaft ausmachen – nicht zuzumuten sei, mit religiösen Allegorien, Metaphern und Archetypen zu hantieren; dass sie also nicht mit Wörtern und Konzepten aus verschiedenen Traditionen konfrontiert werden können, ohne befürchten zu müssen, man wolle ihnen eine bestimmte Religion überstülpen. Dass das keineswegs meine Absicht war, hätte bereits mit der Einleitung meines Artikels klar sein müssen. Weder diene ich einer von ihnen, noch diene ich sie anderen an, sondern beschreibe eine philosophia perennis. Gleichermaßen nannte ich im Artikel keinerlei Inhalte, die der Leser als das „Gute“, „Böse“ oder „Wahre“ identifizieren müsste, abgesehen von unserer Zivilisation, von der wir alle wissen, dass sie sich in einer gewissen Schieflage befindet.

Es geht mir um Prinzipien menschlichen Zusammenlebens, die andere Völker und andere Zeiten besser erkannt haben als wir – eben weil sie Distanz zu uns haben. Dieser Blick von außen, so glaube ich, kann enorm wertvoll sein, denn wir sind blind dafür, wer oder was wir eigentlich sind. Wie zu erwarten tun sich viele unter uns schwer, dieses Spiegelbild zu akzeptieren: Ach, das ist nur mittelalterlicher Aberglaube; ach, das sind nur Wilde; ach, die hatten damals nicht unsere komplexen Probleme. Und diese Haltung ist Teil unserer Notlage. Unsere Kultur ist mit dem Anspruch angetreten, die Alten zu widerlegen, und ist in ihrer Arroganz und Ignoranz gerade dabei, sich in Unwissenheit bzw. Leugnung des sozialen Äquivalents des Gravitationsgesetzes auf einen Abgrund zuzubewegen. Ob man nun passiv oder aktiv daran teilhat, bleibt sich am Ende gleich. Diese Überlegungen stehen hinter der Haltung, die Sie als „Alles oder Nichts“ bezeichnet haben. Selbstverständlich gibt es Graustufen (analog: Grade der Schwangerschaft, wenn man die scharfe Grenze von Nichtschwangerschaft zur Schwangerschaft überschritten hat), aber sie tun effektiv nichts zur Sache.

Auch das kleinere Übel ist ein Übel, wie Hannah Arendt treffend feststellte.

Darum kann ich eine solch scharfe Trennung zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Illusion ziehen, und das tut heute mehr not als je zuvor. Wir brauchen präzise Anhaltspunkte zur Orientierung oder wir bleiben in einem moralischen Morast stecken, der ganz im Sinne des Bösen ist. Es wiederholt sich heute wieder das, was den Schriften zufolge schon so oft geschehen ist: Wenn der Kompass kaputt, der Entdeckungsreisende betrunken und der Fremdenführer ein Bandit ist, laufen wir in die Irre, und je nachdem, wo man sich gerade befindet, endet das tödlich. Der Rand der Klippe ist die letztmögliche rote Linie, aber selbstverständlich brauchen – und sollten – wir nicht erst bis dorthin gehen, um auf den rechten Weg zurückzufinden.

Die sogenannten alternativen Medien führen erstklassige Arbeit aus, zu erklären, wo wer wann welchen Fehler, welche Gemeinheit begangen hat. Und dann lassen sie den Leser oder Zuschauer damit allein. Ich habe Ende 2008 die Nachdenkseiten angefangen zu lesen – und es nach wenigen Monaten wieder eingestellt. Der Finger lag genau in der schwärenden Wunde systemischer Korruption, doch dann gesellte sich zu meiner Entrüstung über dieses Unrecht noch die Wut, dass niemand etwas dagegen unternahm, während das Magazin keinerlei Hinweis darauf gab, was man selbst hätte tun können.

Mein Problem war: Nun gut, in unserer Gesellschaft laufen Dinge gewaltig schief, aber erstens wurden die tieferen Ursachen und damit die Zusammenhänge nie genannt, zweitens wurden keinerlei Anhaltspunkte gegeben, wann der Rechtsbrüche, der Ungerechtigkeiten und der Unmoral genug wäre, d.h. eine Grenzziehung ist weder spezifisch noch relativ vorgeschlagen worden; und damit war es drittens nahezu unmöglich gemacht, persönliche Konsequenzen aus den gelieferten Informationen abzuleiten, die auf eine dauerhafte Problemlösung hinwirken. Darin gleichen sich nahezu alle größeren „alternativen“ Medien heute. Dank deren Berichterstattung werden Millionen von Menschen zum ersten Mal auf die Illusion aufmerksam, in der sie gelebt haben – nur um im selben Moment in den Trümmern ihrer alten Welt allein gelassen zu werden. Das, in sich selbst, kann ein Akt des Bösen sein, selbst wenn die beteiligten Journalisten und Kommentatoren guten Willens und nach bestem Wissen handeln.

Im vergangenen Monat sah ich beispielsweise eine Sendung mit brillanten Analysen zur Ukraine-Krise und deren tieferen Ursachen in der westlichen Kultur, und der recht bekannte und beliebte Redakteur sah sich – wieder einmal – genötigt, einen Seufzer auszustoßen:

Ich frage mich nur wirklich, warum man das mit den Deutschen so machen kann, warum sich hier nicht irgendein Protest artikuliert… ich hoffe doch, dass da irgendwie irgendwann mal ein großer Besen kommt und ziemlich viel Kehraus macht. Noch sehe ich das nicht, aber hoffen darf man ja schließlich noch … Und an euch, liebe Zuschauer da draußen: [das waren nun] viele Informationen, viel Stoff. Nicht in den Hass gehen, nicht in die Wut, sondern versucht es in euch anders zu verarbeiten, weil sonst geht ihr dran kaputt. Es bringt niemand etwas, wenn ihr nur mit Schaum vor dem Mund durch diese Welt lauft; sondern teilt es einfach weiter, gebt es den Menschen mit, gebt mal einen Link weiter, liket uns, abonniert uns, alles was man machen kann, um uns virtuell zu unterstützen, und dann würde ich mich freuen, wenn ihr beim nächsten Mal einfach wieder dabei seid.

Keine untypische Aussage, sondern eine ziemlich gute Zusammenfassung der Haltung, die man im Widerstand – der sich dieser Bezeichnung nicht würdig erweist – fast durchgängig zu hören bekommt. Ich bin mir fast sicher, dass der Redakteur keine Ahnung hat, was er im Grunde sagt. Was spricht er im Klartext? Er sagt:

Die Lage ist verzweifelt, wir werden von A bis Z belogen, und wenn nicht bald etwas geschieht, gehen wir grusligen Zeiten entgegen. Ich habe nicht vor, etwas dagegen zu unternehmen, sondern warte auf den edlen Ritter in glänzender Rüstung, der uns erlöst. Ich weiß, das ist zu wenig, aber rosarote Brillen sind ja noch nicht verboten. Und auch ihr solltet euch ruhig verhalten, selbst wenn wir von den alternativen Medien euch sieben Tage die Woche mit unangenehmen Berichten über den wahren Zustand der Welt beballern. Lasst euch von eurer berechtigten Wut nicht zu konkreten Befreiungsschlägen aufwiegeln, sondern verleitet auch andere, sich den ganzen Dreck reinzuziehen, damit wir es uns leisten können, euch weiterhin zu traumatisieren, ohne einen Ausweg anzubieten.

Das, geschätzter Kollege, ist kein bisschen besser als die zu recht gescholtene Pharma-Industrie, die Menschen nicht wirklich heilen will, weil sie an deren permanentem Kranksein verdient. Eine Bevölkerung, die durch postmoderne Indoktrination weder moralische Fixpunkte noch ethische Richtlinien hat, aufgrund einer Kultur des instrumentellen Utilitarismus kein Gut und schon gar kein Böse mehr kennt, und nun von einem solchen Publikationswesen das Hirn weichgespült bekommt, wird sich schwer mit der Entscheidung tun, wo ihre rote Linie verläuft. Wenn es ihr trotz aller Widrigkeiten gelingt, ein „Bis hierhin und nicht weiter!“ auszustoßen, droht der aufsässigen Bürgerin eine brutales Sperrfeuer von Erziehungsmaßnahmen – und damit ist die gesellschaftliche Änderung beendet, bevor sie angefangen hat, denn natürlich wagt keines der Medien, seinen empfindsamen Kunden beizubringen, dass Veränderungen Opferbereitschaft verlangen, und dass diese Opferbereitschaft im Nu gegeben wäre, würden wir an etwas jenseits unser selbst glauben, oder würden wir etwas mehr lieben als uns selbst. Die großen Säulenheiligen der Widerstandsbewegung sind solche opferbereiten Menschen; ich sehe unter ihnen sehr viel weniger Berührungsängste mit spirituellen Einsichten, als Sie Ihren Lesern – vielleicht zurecht – unterstellen. Ich finde es wichtig, dass die Parallelen zwischen okkulten, spirituellen und religiösen Aussagen weltweit einerseits und soziologischen und psychologischen Erkenntnissen andererseits aufgezeigt werden. Mein Artikel versuchte in diesem Sinne eine erzählerische Konkordanz herzustellen.

So aufrichtig ich die Aufklärungsarbeit der alternativen Medienlandschaft bewundere, so sehr muss ich Michael Hoffmann („Twilight language“) recht geben, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass unter den „Alternativen“, genau wie im Mainstream, ein Wettrennen um die skandalösesten Enthüllungen stattfindet, das den Rezipienten zunehmend desensibilisiert sowie letztlich zu Defätismus und Bewusstseinsverlust beiträgt. Gewollt oder ungewollt macht sich die Alternativ- zur Systempresse – bedauerlicherweise, denn der Wille ist gut und der Hunger nach Auswegen ist riesig. Um ins rechte Handeln zu kommen fehlen den Medienkonsumenten grundlegende Kenntnisse zur Natur unseres Seins und zu den für menschliches Gedeihen existenziellen naturrechtlichen Prinzipien; darin ist unsere heutige Kultur extrem schwach. Solange Ihre Leser unbehelligt in ihren atheistisch-mechanistischen (und damit letztlich nihilistischen) Ansichten verweilen dürfen – natürlich „dürfen“ sie, egal wie oft das G-Wort in einem Text fällt –, wird sich nichts ändern, denn genau diese Ansichten liegen im Kern der Misere. Das kann man gern anders sehen, aber selbst wer nur ein Auge offen hat, wird bemerken, dass sich einige ewige Wahrheiten gerade an unserer Ignoranz vorbei Gehör verschaffen.

„Und noch immer verstehen die Menschen nur die Lektion der Katastrophe. Muss sich diese ereignen, bevor sie ihre Augen für die Wahrheit öffnen? Ich wünsche mir eine Anstrengung von allen, damit es nicht dazu kommt.“ – Mirra Alfassa, 26. November 1972

Mit freundlichem Gruß,

Xelzbrod

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