Auroville und das Naturrecht, Teil 3 von 4
… In ihren Träumen jedoch sahen die ersten Siedler die zukünftige Stadt mit ihren 50.000 Einwohnern, die Mutters Architekt, der Franzose Roger Anger, entworfen hatte: eine kreisförmige Anlage, deren Grundriss an eine Galaxie erinnert, mit riesigen, bis zu sechzig Meter hohen kilometerlangen Bauten, die sich vom Matrimandir, dem spirituellen Zentrum, nach außen bis in die Peripherie schrauben, wo ein Grüngürtel aus Wäldern, Parks und Bauernhöfen die eigentliche Siedlung umgibt. Roger Anger, der seinen Landsmann LeCorbusier gern überflügelt hätte, entwarf sein Auroville ohne Rücksicht auf örtliche Gegebenheiten wie etwa bestehende Bebauung, Geländekonturen oder die örtliche Kultur. Für Mutter hatte der Plan ein Ideal zu verkörpern, dessen Umsetzung in die Wirklichkeit neuere Erkenntnisse zu berücksichtigen hatte, sobald diese verfügbar waren…
Veränderungen
Schon früh jedoch, und trotz der Warnungen der Mutter, versteiften ihre Lehren, allen voran der Galaxie-Plan, bei einer kleinen Schar von Anhängern zu einer religiösen Angelegenheit. Immer wieder gab es Versuche, Roger Angers Galaxiemodell ein für alle Mal verpflichtend festzuschreiben. Ein sogenannter Masterplan [Gesamtkonzeption] wurde gezeichnet (und überarbeitet), der Einwohnerversammlung zur Ratifizierung unterbreitet (und in Frage gestellt), von der UNESCO als mögliches Weltkulturerbe ins Auge gefasst (aber nie beantragt), und Projekte mit dem Ziel der Errichtung sogenannter Kraftlinien – gigantische Gebäude, die die galaktischen Spiralarme darstellen sollten – angeschoben (und wieder gestoppt). Dreiundfünfzig Jahre kamen und gingen. Die Siedlung wuchs langsam aber stetig auf ungefähr dreitausend Einwohner, die aus sechzig Ländern stammten. Trampelpfade, die abwechselnd einstaubten und verschlammten, wurden zu gepflasterten Straßen ausgebaut, Häuser aus Beton und komprimierter Erde ersetzten die einfachen Palmblatthütten der frühen Jahre. Tropische immergrüne Trockenwälder überwuchsen das einst kahle Plateau und kühlten es deutlich herunter. Aus sonnenverbrannten spärlich bekleideten Jugendlichen wurden „alte Aurovilianer“, die zunehmend von Mittelklasse-Neuzugängen mittleren Alters mit gehobenen Ansprüchen verdrängt wurden. Unser gemeinsamer Traum zerbrach in zahlreiche Interessengruppen, die solidaritätsbasierte Geschenkwirtschaft wich dem individuellen Shopping mit Buchgeld, und der Versuch, Entscheidungen im Konsens zu finden, wurde aufgegeben und durch gelegentliche Mehrheitsabstimmungen ersetzt; die meisten Entscheidungen treffen nun ohnehin irgendwelche Komitees, die sogenannten Arbeitsgruppen, die zu einer Quasi-Regierung herangewachsen sind.
Die mit dem Naturrecht kompatible Philosophie Sri Aurobindos, der Integrale Yoga, begann zunehmend als Beschreibung eines utopischen Ziels betrachtet zu werden, das man irgendwann in ferner Zukunft vielleicht erreichen würde, nicht als gelebte und zu lebende Praxis für das Heute. Der Traum wirkt zwar weiter, aber er ist schwer unter Druck geraten. Einerseits sind da die materialistischen Städtebauer, deren Hauptsorgen in Ressourcen, Verwaltung und Geldfragen bestehen und denen mehr oder weniger egal ist, wer ihre Betonburgen bewohnen wird; andererseits bevölkern zahlreiche New-Age-Anhänger die Noch-nicht-Stadt; ihr Kopf ist benebelt von rosaroten Wolken, die Füße schweben einige Zentimeter über dem Boden, und sie kümmern sich einen Dreck um die Erfordernisse kommunalen Lebens, solange sie nur ungestört ihren Spiri-Erfahrungen frönen können.
In dieser Situation schickte Indiens Bundesregierung im vierundfünfzigsten Jahr des Bestehens der Siedlung ein Abrisskommando: eine neue leitende Sekretärin für die Auroville-Stiftung sowie neu ernannte Mitglieder des Direktoriums, eines der drei bestimmenden Organe der Stiftung. Ihre Mission? Unbekannt. Ihr erklärtes Ziel? Die Stadt im Dienste der Wahrheit fertigzustellen. Und sie führten einen Putsch gegen Aurovilles Recht auf Selbstbestimmung durch, den wir, die Einwohner, „The Takeover“ – die Übernahme – nennen.
Stiftung
Nach Mutters Verscheiden im Jahr 1973 entwickelten sich zunehmend Spannungen zwischen den wenigen Hundert Pionieren auf dem öden Plateau und der Sri Aurobindo Gesellschaft in der nahe gelegenen Stadt Pondicherry. Der SAS gehörten rechtlich gesehen Aurovilles Immobilien. Jene, die die Geschichte dieses Konflikts interessiert, werden im Bericht über die Entstehung des indischen Gesetzes zur Gründung der Auroville-Stiftung erstaunliche Parallelen zur heutigen Situation finden. Die SAS brachte die lächerlichsten Behauptungen vor, um ihre Kontrolle über das Projekt zu behalten, etwa, dass es sich bei Auroville um eine religiöse Gemeinschaft handele – entgegen der ausdrücklichen und unzweideutigen Erklärungen der Mutter.
1982 übertrug das oberste Gericht Indiens die Leitung des Orts von der SAS an die indische Bundesregierung. Man hoffte, mit der Zeit werde sich der Konflikt von selbst erledigen. Als das nicht eintrat, brachte die Regierung ein Gesetz ein, welches das Eigentum in eine Stiftung in staatlicher Hand übertrug und den Rahmen für Aurovilles weitere Entwicklung im Sinne seiner Charta festlegte.
In der Begründung heißt es:
„Was die Tagesgeschäfte betrifft, so werden diese von der Einwohnerschaft durch angemessene autonome Einrichtungen erledigt, darunter die Vollversammlung der Einwohnerschaft und ihr Exekutivkomitee. Diesem Arrangement liegt die Idee zugrunde, dass die Einwohner Aurovilles Eigenverantwortung besitzen sollten, damit sich Aurovilles Aktivitäten in einer Atmosphäre entfalten können, die dem harmonischen Wachstum förderlich ist.“
Hier gibt es offensichtlich ein Problem. Einerseits sollten die Aurovilianer von äußerem Druck und von Herrschaft befreit sein, damit sie sich in ausschließlichen Einklang mit dem Göttlichen begeben können. Andererseits gibt es keinen Ort auf Erden, der frei von Herrschaft ist. Statt „niemandem im Besonderen“ zu gehören, wurde Auroville im Hoheitsgebiet der Republik Indien gegründet, und wie jedes andere Land auf Erden verlangt diese die Registrierung von Landeigentum. Die größte Annäherung an seine Prinzipien konnte Auroville unter diesen Bedingungen erreichen, wenn es sich als eine jener rechtlich anerkannten Körperschaftsformen – Treuhand, Verein oder Stiftung – aufstellte, die kollektives Eigentum an Land erlaubt. Kapitel III des Gesetzes betont erneut die Bedeutung selbstbestimmter Organisation zur Erreichung der Ziele, die die Mutter beschrieben hat:
„21(4)b: den Einwohnern Aurovilles wird die Freiheit zugestanden, Aktivitäten und Institutionen zur Erfüllung ihrer in der Charta vorgesehenen Bestrebungen und Programme zu entwickeln.“
Die Stiftung sollte als eine Art Sicherheitsraum dienen, innerhalb dessen die Einwohner vor all dem geschützt waren, was mit dem Leben in der „normalen“ Welt einhergeht: Steuern, Polizeikontrollen, Gesetze, Lohnsklaverei usw. Das Problem mit der Pflicht zur Registrierung von Grundeigentum durch die Stiftung besteht jedoch darin, dass dieser Träger gemäß dem Gesetz mit Rechten und Pflichten ausgestattet ist. Daraus ergibt sich ein Konflikt zwischen den Pflichten des Vorstandes (menschengemachte Gesetze zu befolgen) und der Freiheit der Einwohner, unabhängig von jeglicher externen Einflussnahme einem höheren Gesetz zu folgen. In diesen Spannungsraum einander widersprechender Anforderungen treten die dem Naturrecht entgegengerichteten Kräfte, um Verwirrung statt Wahrheit, Beliebigkeit statt (spiritueller) Disziplin, Misstrauen statt Harmonie und Egoismus statt guten Willen zu säen.
Das Wort, seines Sinns entkleidet
Die Umkehrung von Definitionen und die Umdeutung von Prinzipien ist ein typisches Zeichen dekadenter Stadien von Zivilisation. Ich habe über dieses Phänomen bereits mehrfach geschrieben und dabei den Ausdruck „Falschwörterbuch“ verwendet. Viele Einwohner steuern auf diesem Wege selbst zur Untergrabung von Aurovilles Zielen bei, wie ich in Teil 1 der Serie ansprach und in Teil 4 ausführlicher erörtern werde. Sie reißen die Worte Sri Aurobindos und der Mutter aus dem Zusammenhang, entkleiden sie ihrer tieferen Bedeutung und stellen sie mit Sprach- und Logikspielchen auf den Kopf. Das daran festgemachte Fehlverständnis kann verschiedene Ursachen haben, einschließlich intellektueller Blindheit und ideologischer Voreingenommenheit wie beispielsweise versteckte religiöse oder materialistische Annahmen. Oft werden die relevanten Texte dann wörtlich ausgelegt und es wird übersehen, dass sie nicht die Wahrheit als solche sind oder auch nur repräsentieren, sondern dass sie lediglich Hinweise auf das geben, was wahr ist.
Jene meiner Leser, die sich noch immer fragen, welchen Nachrichtenmedien sie das Vertrauen schenken dürfen, „die Wahrheit“ zu berichten, mögen sich wundern, was ich mit meinen Ausführungen wohl sagen will. Nun, ganz einfach: Wahrheit ist in der Lehre Aurobindos gleichbedeutend mit Dem-was-ist – Wirklichkeit; nicht Deine oder meine, sondern DIE Wirklichkeit. Ja, es gibt sie tatsächlich, aber sie lässt sich nicht auf sprachliche Ausdrücke reduzieren. Überwiegend besteht sie nicht einmal aus fassbaren Gegenständen. Wörter können jedoch Hinweise darauf geben, wonach man Ausschau halten muss und wo.
Stell Dir vor, Du befindest Dich auf einer Wanderung. Während Du ziellos vor Dich hin wanderst, überfällt Dich der Hunger. Vor Dir verzweigt sich der Weg, und dort siehst Du einen Wegweiser nach rechts, auf dem „Gasthaus“ steht. Der Wegweiser kann Deinen Hunger natürlich nicht stillen, sondern nur das Gasthaus selbst; dazu musst Du dem Hinweis folgen, den rechten Weg einschlagen und so lange weitergehen, bis Du am Gasthaus angekommen bist. Nur ein Narr würde vom Schild erwarten, gespeist zu werden. Und doch ist die Welt voller Narren, die von Wörtern besessen sind statt von der Wirklichkeit. Die Wahrheit in spirituellen Texten zu suchen ist genau so fruchtlos wie in jedem anderen Medium, und ihre wörtliche Auslegung gleicht dem Verwechseln der Landkarte mit dem Land.
Genau das aber unternehmen die Stiftungsbürokraten und ihre willigen Helfer, wenn sie Versatzstücke aus den Aufzeichnungen Sri Aurobindos und der Mutter und dem Gesetz über die Gründung der Auroville-Stiftung zur Rechtfertigung ihrer Zwangsmaßnahmen benutzen. Ihr Verständnis entspricht der Scheibendarstellung einer kugelförmigen Welt.
Entscheidungsfindung in Auroville
Innerhalb des von der Stiftung gebildeten Rahmens ruht Aurovilles Entscheidungsfindung auf drei Säulen:
- dem Direktorat [Governing Board, GB], einer Gruppe, deren Mitglieder von der indischen Bundesregierung ernannt werden. Seine Rolle besteht allgemein gesprochen darin, Auroville zu unterstützen, seine Ziele innerhalb der rechtlichen Gegebenheiten des Landes zu verwirklichen. Es kann „Aktivitäten und Dienstleistungen koordinieren“, „die grundlegenden Verfahren und Prozeduren überprüfen“, „die ordentliche Verwaltung der Güter sicherstellen“, „einen Generalplan [Masterplan] für Auroville aufstellen“ und „Mittelbeschaffung autorisieren und koordinieren“, und muss hierfür meistens mit der Vollversammlung zusammenarbeiten.
- dem Internationalen Beirat [International Advisory Council, IAC], der aus fünf von der indischen Regierung nominierten Personen besteht. Seine Rolle besteht drin, „das Direktorat in allen Angelegenheiten zu beraten, die die Entwicklung und Verwaltung Aurovilles betreffen“, Aurovilles Ideale zu fördern und die Freiheiten der Einwohner zur Erreichung ihrer Bestrebungen im Sinne der Charta sicherzustellen.
- der Vollversammlung [Residents‘ Assembly, RA], der Gesamtheit aller erwachsenen Einwohner, die jederzeit zu jeglichem Thema bindende Entschlüsse fassen kann.
Die meisten Entscheidungen bedürfen der Zusammenarbeit von wenigsten zwei der drei Säulen und die Vollversammlung muss stets eingebunden sein. Von dieser Tatsache sowie der umfassenden Freiheitsgarantie des Stiftungsgesetzes und den in der Charta festgelegten Aufgaben der Aurovilianer folgt, dass die Vollversammlung die wichtigste Säule der Entscheidungsfindung darstellt – abgesehen vom Willen des Höchsten Bewusstseins.
Wegen der oben genannten Widersprüche wundert es jedoch keineswegs, dass das Auroville von heute, so wie es tatsächlich funktioniert, sich von Mutters Vorstellungen hätte kaum weiter entfernen können. Mit der Verankerung als Körperschaft indischen Rechts und seiner direkten Unterstellung unter die Bundesregierung sickerte allmählich eine legalistische Auffassung von Organisation in die Geisteshaltung von Einwohnern und Institutionen ein. Die stetig – wenn auch langsam – wachsende Einwohnerschaft konnte sich immer seltener zur Vollversammlung treffen; dadurch wurde es zunehmend schwieriger, Konsens zu erreichen und irgendwann ging man zu Mehrheitsabstimmungen über. Wenige Einwohner fanden das hilfreich; die überwältigende Mehrheit nahm an den Plebisziten nicht teil.
Eine ganze Reihe von Komitees wurden von der Vollversammlung eingerichtet und personell bestückt, um die aus ihren Entscheidungen resultierenden Aufgaben zu erledigen: Stadtplanung (TDC), Konfliktbewältigung (Rat), Immobilienverwaltung (FAMC), Einlass (Entry) usw.
Je mehr Einwohner das Interesse an der Entscheidungsfindung verloren, desto mehr verfielen natürlich die Komitees dem Gedanken, sich selbst als Quasi-Regierung zu verstehen, und vielen in der Einwohnerschaft war‘s nur recht, den Niederungen der „Politik“ entrinnen zu können. Daher trafen die Komitees eine Entscheidung nach der anderen, zu der sie eigentlich nicht befugt waren: von der Einrichtung von Überwachungskameras, über deren Zweck, Handhabung, Sicherheit und Verantwortlichkeit wenig bis nichts bekannt ist, bis hin zur Entgegennahme großer Geldsummen von globalen Umweltverschmutzern zur Finanzierung zweifelhafter Projekte. Die Arbeitsgruppen wurden im Lauf der Zeit bürokratischer und weniger transparent; sie haben Geheimnisse vor den Einwohnern, während sie diesen – teilweise unter Androhung empfindlicher Strafen – allenthalben Daten abfordern. Trotz zahlreicher Reformversuche verwandelten sich die Komitees in ein Werkzeug der Machtaneignung und Selbstbereicherung in den Händen einiger Weniger, die als ein fast geschlossener Kreis, eine Nomenklatura von Berufsbürokraten, durch die Drehtüren diverser Gruppen tingeln.
Zwei Beispiele für unser Arbeitsgruppenproblem
Ein Aurovilianer betrog eine Person, die Einwohner werden wollte. Der Neuling wandte sich an die Verwaltung, erhielt jedoch keine Aufmerksamkeit durch die Arbeitsgruppen und die Stiftung. Nachdem sich die Sache zu lange hingezogen hatte, reichte er Ende 2019 Beschwerde bei der Bundesregierung und der Bundespolizei ein. Die Akte enthielt Beweise für und Hinweise auf hunderte weiterer Fälle krimineller und korrupter Aktivitäten. Doch auch die Bundesbehörden rührten sich nicht, und nur weil eine Tageszeitung darüber berichtet hatte, gab es einen kleinen Untersuchungsausschuss der Stiftung. Dieser kam natürlich schnell zu dem Ergebnis, dass einem der Mitwisserschaft beschuldigten Stiftungsbeamten nichts nachgewiesen werden könne, und dass man in den anderen Fällen der Ergebnisse der offiziellen Stellen harren wolle.
Als ab März 2020 Corona-Maßnahmen verhängt wurden, wurden die Verordnungen der Regierung einfach nach „unten“ durchgereicht, ohne dass ein Aurovilles Prinzipien angepasster Weg, mit solchen Herausforderungen umzugehen, gesucht wurde. All die zahlreichen Praktiken zur Gesunderhaltung und Heilung aus aller Welt – Ayurveda, Naturopathie, Chinesische Medizin, Tibetische Medizin, Homöopathie usw. – waren von einem Tag auf den anderen vergessen und den Einwohnern wurde vom selbsternannten Corona-Komitee nahegelegt, dass zwar jeder das Recht auf seine eigene Meinung habe, dass man diese aber gefälligst für sich behalten und einfach den offiziellen furchtbasierten Anordnungen folgen solle.
Da wir, die Einwohner Aurovilles, uns in unserer Gesamtheit weit von den Lehren der Mutter entfernt haben, wir uns unserer Rolle im Projekt nicht bewusst sind und uns in einer schweren Schieflage der Machtverhältnisse verfangen haben, waren wir leichte Beute in dem Putsch von „oben“, der am 2.12.2021 begann. Manche meinen – es sind besonders jene, die auf Seiten der Putschisten stehen –, dass wir es verdient hätten, und dass wir nun einfach klein beigeben und den Willen der Mutter akzeptieren sollten. Ich halte das für eine falsche Auffassung. Zwar haben wir durch die kollektive Missachtung des Naturrechts weiteren Missbrauch eingeladen, aber es war nicht der Zorn der Mutter, der über uns gekommen ist; sie ist nie aggressiv gewesen. Außerdem verdient niemand die Verletzung seiner Naturrechte. Unter dem Deckmantel von „Verwirklichung des Traums der Mutter“, „Auskehren der Widerstandsnester gegen Entwicklung“ und „Beendigung der Korruption“ begann eine Abrisskolonne bestehend aus einigen wenigen Bundesbeamten und einiger handverlesener Kollaborateure die Gleichschaltung unserer Selbstverwaltung.
Die Übernahme. Notizen aus dem Lehrbuch
Kurze Fristen
Am 2. Dezember 2021 erhalten Aurovilles Jugendzentrum und angrenzende Waldpfleger eine Information von der Stadtplanung (TDC), dass Bäume und bestimmte Gebäude auf der Trasse der geplanten Crown Road – einer zentralen Infrastruktur im sogenannten Masterplan – innerhalb einer Woche abgeräumt würden. Am folgenden Tag bittet das JuZe um Aufschub, mit der Begründung, dass jüngere Planungsbemühungen der Einwohner kreative Lösungen entwickelt hätten, die weniger Schaden an Bäumen und Gebäuden verursachten.
Überraschungsangriff
Ungeachtet dessen traf am frühen Morgen des folgenden Tages schweres Räumgerät ein, das ohne Vorlage einer Arbeitsanweisung begann, Bäume zu fällen. Innerhalb einer Stunde fanden sich hunderte von Aurovilianern ein, die die Zerstörung friedvoll blockierten. Die Stiftungsleitung ruft Polizeikräfte zu Hilfe. Diese registrieren Personendaten und verschwinden dann, nur um gegen ein Uhr nachts, nach Beratung mit der Stiftungsleitung wiederzukehren.
Unverhältnismäßige Gewaltanwendung
Während die Räumfahrzeuge mit der Zerstörung fortfahren, blockiert die Polizei die Zufahrten, verhaften jugendliche Einwohner und greifen einige Protestierer tätlich an.
Die Polizei gegen friedliche Demonstranten zu rufen war klar eine Verletzung von Aurovilles Prinzipien, da Stadtplanung eine interne Angelegenheit ist, die ausschließlich mit hauseigenen Mitteln behandelt werden sollte. Die (unprovozierte) Anwendung von Gewalt verletzte jegliches denkbare Prinzip zivilisierten Zusammenlebens und ist natürlich vor dem Naturrecht absolut unmoralisch.
Bestechungsversuch und Ultimatum
Nach harten Protestnoten einer Gemeindeversammlung sowie des internationalen Unterstützernetzwerks Aurovilles, AVI, bietet die Sekretärin der Stiftung Geld und Unterstützung bei der Umsiedlung der betroffenen Einwohner an, wenn sie zustimmten, den Widerstand einzustellen. Die Antworte müsse binnen zwölf Stunden vorliegen. Die Betroffenen lehnten das Geld ab, sagten aber ihre Mithilfe zu, wenn sie die Gebäude selbst auseinandernehmen könnten.
Konfusion erzeugen
Die Antwort von Stadtplanung und Stiftungsleitung weicht von den zuvor angebotenen Übereinkünften ab.
Sprecher der Stiftungsleitung kündigen eine Versammlung genau am gleichen Platz zur selben Zeit an, wie eine von den Einwohnern selbst organisierte Veranstaltung.
Redefreiheit unterbinden
Die Stiftungsleitung verpasst Aurovilles Pressestelle, Outreach Media, einen Maulkorb und ernennt eigene Sprecher.
Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass die Unterdrückung abweichender Stimmen ein zutiefst unmoralischer Akt ist. Während das Verhalten der Polizei möglicherweise auf deren eigenes Konto ging, hat die Stiftung mit dem Maulkorberlass das Naturrecht verletzt und damit früh im Spiel ihre Missachtung von Aurovilles Prinzipien und der Selbstbestimmungsrechte seiner Einwohner unzweideutig zum Ausdruck gebracht.
Teile und herrsche
Die Vollversammlung fordert ihr Exekutivkomitee (EK) auf, eine Notfallenscheidung in die Wege zu leiten. Vier der sieben EK-Mitglieder, die mit der Stiftung sympathisieren, weigern sich, der Anordnung Folge zu leisten. Das wird letztlich zur Verdoppelung vieler Komitees und zu einer Spaltung unter den Einwohnern führen.
Ein direkter Spaltungsversuch zwischen Einheimischen und Ausländern ereignet sich bald danach, als die Sekretärin eine Ansprache speziell an die tamilischen Einwohner richtet.
Einsatz extralegaler externer Kräfte
Die Bulldozer kehren mit über einhundert angeheuerten unbekannten Schlägern zurück, die aggressiv gegen die Protestierer vorgehen, darunter Frauen und Kinder. Mehr Bäume und Gebäude als geplant werden zerstört. Am Nachmittag ziehen die Trupps zu einem anderen Grundstück weiter, wo sich ähnliche Szenen abspielen. Die Sekretärin fügt dem Schaden noch Hohn hinzu, indem sie auf einer Feierlichkeit zum Jahrestag der Auroville-Gründung den Schlägern öffentlich für ihre Hilfe dankt.
Gerichte, Gesetze, Entscheidungen und Petitionen ignorieren
Das Nationale Grüne Tribunal Indiens erlässt eine einstweilige Verfügung – und später ein Urteil – gegen die Arbeiten. Speziell das Baumfällen sollte eingestellt werden. Die Zerstörung geht dessen ungeachtet munter bis zum heutigen Tag weiter. Zur Rechtfertigung werden Komitee-Entscheidungen herangezogen, die in Verletzung des Stiftungsgesetzes entstanden sind. Oft werden keine Auftragserlasse vorgelegt.
Die Stiftung verletzt das Stiftungsgesetz in vielerlei Hinsicht bei zahlreichen Gelegenheiten. Sie versuchte, die Rede- und die Versammlungsfreiheit der Einwohner zu unterbinden, missachtet das Recht auf Selbstbestimmung und auf Beteiligung an allen Angelegenheiten der Verwaltung und Organisation, untergräbt die Konstitution der Komitees usw. Die Kaperung von Aurovilles Institutionen geschieht üblicherweise durch Dekret der Sekretärin selbst, ihres Untersekretärs oder der Direktoriumsführung. Die Übergabe von Schlüsseln, Passwörtern, Konten und Ausrüstung wird „mit Genehmigung der zuständigen Behörden“ verlangt, aber weder werden die Namen der Behörden oder der verantwortlichen Personen genannt, noch werden die relevanten Rechtsgrundlagen referenziert. Mit anderen Worten handelt es sich um Willkürakte.
Die Stiftungsleitung und die von ihr gekaperten Gruppen ignorieren jeden Versuch der Einwohner, konstruktive Gespräche über umstrittene Sachverhalte zu führen. Die Kommunikation fließt lediglich in eine Richtung: als Befehle der Stiftungsleitung an die Einwohner, oder als die Einwohner dämonisierende Propaganda an die Presse. Die Einwohner und ihre Institutionen werden mit Aufforderungen zur Datenübermittlung bombardiert, während kritisches Feedback negative Konsequenzen nach sich zieht.
Beschwerden der Sympathisanten der Vollversammlung wie beispielsweise des Internationalen Beirats, des Freundesnetzwerks AVI oder der mehr als 50.000 Unterzeichner einer Petition werden ebenfalls konsequent ignoriert.
Eine mit Mehrheit von 89% gefällte Entscheidung der Vollversammlung bestimmt, dass alle Arbeiten eingestellt werden müssen, bis die Richtlinien zur Infrastrukturplanung Aurovilles überprüft worden sind. Diese Entscheidung ist bindend für alle, doch die Stiftungsleitung kümmert sich nicht darum. Stattdessen beginnt sie die Übernahme der Komitees und anderer Einrichtungen der Vollversammlung direkt in der darauf folgenden Woche, Anfang Februar. Alle entsprechenden Verfügungen der Stiftungsleitung verletzen das Stiftungsgesetz, die üblichen Abläufe, Aurovilles Prinzipien und die ethische Vernunft, darunter das Naturrecht auf Selbstbestimmung, angemessenes menschliches Miteinander und das verbürgte Recht auf die Selbstverwaltung durch Aurovilles Einwohner.
Übernahme von Institutionen
8. Februar 2022 – Outreach Media, das bereits zwei Monate zuvor einen Maulkorb verordnet bekam, wird das erste Opfer in einem langen Übernahmereigen. Eine Anordnung fordert OM zur Übergabe des Gebäudes auf. Der Ort wird dann versiegelt.
15. März – Aurovilles Bauunternehmen werden durch einen Vertrag zwischen der Stiftung und einem externen Großunternehmen ausgebootet, „Projekte zur Errichtung der Stadt Auroville auszuführen.“ Auch die Wasserwerker sind betroffen, da derselbe Konzern nun die Abwasserreinigung übernimmt.
27. April – Die vier Mitglieder des Exekutivkomitees der Vollversammlung, die sich auf die Seite der Stiftung geschlagen haben, „entlassen“ unrechtmäßig ihre drei Kollegen, die zur VV gehalten haben (die VV bestimmt rechtmäßig die Mitglieder des EK).
7. & 9. Mai – Stiftung und Direktorium befehlen der Vollversammlung, alle Entscheidungstätigkeiten vorerst einzustellen, bis das Einwohnerregister der Stiftung aktualisiert worden sei. Die Begründung ist rechtlicher Unfug (siehe Abschnitt „Allgemeine Einschüchterungsversuche“). Somit ist die Order unrechtmäßig, weil ihr die sachliche Grundlage fehlt, und sie ist unmoralisch, weil sie Recht der Einwohner, sich zu treffen und über alle sie betreffenden Angelegenheiten zu entscheiden, beschneiden will.
10. Mai – Die Vollversammlung entscheidet, erneut mit überwältigender Mehrheit (92%), dass die vier abtrünnigen Mitglieder ihres Exekutivkomitees ihres Amtes enthoben sind. Jene besetzen jedoch am 12. Mai das Büro des EK und ernennen drei neue Mitglieder. Nun gibt es effektiv zwei Gruppen, die sich Exekutivkomitee nennen. Das EK der Vollversammlung kann ihren Raum einige Tage später wieder übernehmen, woraufhin die Stiftung die Polizei ruft. Diese schließt das gesamte Rathausgebäude, in dem sich neben dem EK etliche weitere Institutionen befinden. Die Stiftung erstattet gegen die legitimen EK-Mitglieder Anzeige wegen „illegaler Übernahme des EK-Büros.“
17. Mai – Die Stiftung verlangt administrativen Zugang zu Aurovilles Intranet-Einrichtungen – wegen „regierungsfeindlicher Aktivitäten“. Präzisere Hinweise auf beanstandete Inhalte werden nicht gegeben und es kommt nie zu entsprechenden Sanktionen. Ein Mitarbeiter der Intranet-Administration übergibt die Passwörter aufgrund Androhung von Zwangsmaßnahmen.
20. Mai – Unter Benutzung der abgepressten Passwörter übernimmt die Stiftung das gesamte Intranet, einschließlich Forum, Email-Verwaltung, Homepage-Administration, Internet-Domains und sonstigen Webdienstleistungen. Diese werden später benutzt, um aktiven Unterstützern der Vollversammlung den Zugriff auf Aurovilles Kommunikationsmittel einzuschränken oder ganz zu sperren, Email-Adressen rechtmäßiger Komitees auf deren illegitime Pendants zu übertragen, Details über Kommunikationsverhalten preiszugeben und den Mailverkehr von und zu externen Adressen bekannter Maßnahmenkritiker zu blockieren. Die Namen der neuen Administratoren wurden nie veröffentlicht.
27. Mai – Die Stiftung kapert die Finanzverwaltung der Vollversammlung (FAMC), indem sie die von der VV bestimmten Mitglieder unrechtmäßig „entlässt“ und sie, ebenso unrechtmäßig, mit ihren eigenen Figuren besetzt, darunter Nicht-Aurovilianer. Die Altmitglieder weigern sich zurückzutreten, und so wird der FAMC das zweite duplizierte Komitee.
1. Juni – Unter Verwendung der gekaperten Intranet-Einrichtungen schließt die Stiftung unangekündigt die Verwalterin des Massen-Email-Dienstes aus ihrem Konto aus. Somit fällt auch dieser Kanal für die legitimen Komitees aus. Sie ersetzen die verlorenen internen Ressourcen mit externen Diensten und Adressen. Die Stiftung droht mit rechtlichen Konsequenzen.
22. Juni – Die Stiftung kapert die Dokumentationsarchive Aurovilles mit einer neuen Anordnung und ersetzt das Führungspersonal durch fachlich unkundige Personen, darunter Nicht-Aurovilianer.
24. Juni – Die Stiftung kapert ACUR, die Gebäudeverwaltung des Rathauses mit einer weiteren Anordnung.
28. Juni – Die Stiftung kapert die Ländereienverwaltung durch eine Anordnung, die zwei Führungspersonen entlässt und mit Nicht-Aurovilianern ersetzt.
1. Juli – Nach der Übernahme des ACUR erhalten viele Einlieger des Rathauses, darunter Komitees wie Humanressourcen, Stadtrat und Ländereienverwaltung kurzfristige Kündigungen ihrer Räumlichkeiten. Sie sollen innerhalb weniger als 24 Stunden das Gebäude räumen. Keinerlei Ersatzbüros oder Unterstützung bei deren Beschaffung wird angeboten. Der Stadtrat weigert sich und besetzt fortan sein eigenes Büro.
15. Juli – Die Sri-Aurobindo-Zentren in Indien, Auroville und die Ashrams in Pondicherry und Neu-Delhi, werden von der Regierung darüber informiert, dass von nun an die Sekretärin der Auroville-Stiftung die Koordination der Auszahlung von Geldern für Feierlichkeiten zu Sri Aurobindos 150. Geburtstag übernimmt und dass es sich von nun an nicht mehr um Zuschüsse handelt, sondern um komplexe Finanzierungsvereinbarungen, darunter auch Anleiheprogramme.
29. Juli – Nach der direkten Übernahme der Finanzverwaltung (FAMC) am 27. Mai und der Umleitung der Regierungsgelder für die Aurobindo-Geburtstagsfeierlichkeiten führt die Stiftung nun eine kalte Übernahme des Haushaltsausschusses (BCC) durch. Eine Anordnung verlangt den „sofortigen Stopp sämtlicher Auszahlungen an alle Projekte mit Ausnahme des Grundeinkommens mit sofortiger Wirkung.“
Amtsmissbrauch zur persönlichen Einschüchterung
Friedliche Beobachter ausländischer Herkunft gegen die Zerstörung des Jugendzentrums werden als „gewalttätige Demonstranten“, die sich „politisch“ betätigten, an die Ausländerbehörde gemeldet. Sie erhalten Besuch von deren Beamten.
An den Protesten beteiligte Einwohner erhalten nach Anfrage auf Visum-Verlängerung entweder keine Dokumente oder drastisch reduzierte Aufenthaltsfristen (drei Monate statt fünf Jahre beispielsweise) und ihre Anträge werden oft so spät bearbeitet, dass dies zu Schwierigkeiten mit Aufenthalt und Rückreise führt.
Einwohner, darunter Mitglieder von Komitees, die eine von der Stiftung angeheuerte Gruppe von Bauarbeitern nach ihrem Arbeitsauftrag fragen, weil sie das Urteil des Nationalen Grünen Tribunals verletzt sehen, werden für den Wiederholungsfall mit einer Anzeige wegen „Behinderung staatlicher Arbeiten“ bedroht.
Allgemeine Einschüchterungsversuche
Die Sekretärin versendet Briefe an ausländische Einwohner, dass deren Visa nur verlängert würden, wenn sie eine Erklärung unterzeichneten. Darin wird unter anderem verlangt, dass sie „Aurovilles Masterplan treu bleiben, der auf dem von der Mutter konzipierten Galaxieplan beruht.“ 60% der Einwohner sind als Ausländer davon betroffen.
Kurz darauf erhalten alle Einwohner die Aufforderung, bei der Aktualisierung des Einwohnerregisters der Stiftung zu helfen, die angeblich auf dem Stand von 2005 sei. Bei näherer Betrachtung hat die Stiftung, in deren Verantwortung die Registerführung liegt, direkten Zugriff auf das tagesaktuell geführte Hauptverzeichnis des Einlasskomitees. Das auszufüllende vierseitige Formular verlangt neben den üblichen Personendaten zwingend die Nennung einer AADHAAR-Nummer; dabei handelt es sich um eine nationale biometrische Identifikationsmethode, die für die Anmeldung von Mobilfunkgeräten, die Einrichtung von Bankkonten und andere Registriervorgänge aller Art eingesetzt wird. Wegen der offensichtlich damit einhergehenden Datenschutzprobleme hat das oberste Bundesgericht mehrfach geurteilt, dass ihre Verwendung freiwillig bleiben muss und eine zwingende Abfrage durch Behörden verboten ist. Ein weiteres Problem mit dem Fragebogen der Stiftung ist die rechtlich unzulässige Vermengung mit einer dreiseitigen Umfrage. Die Stiftung warnt vor möglichen „schweren Folgen“, sollte das Formular nicht fristgemäß ausgefüllt werden. Trotzdem kommen nur 1600, etwa die Hälfte der Einwohner, der Aufforderung nach.
Mehr als die Hälfte aller Anträge auf Visum-Verlängerung stoßen ohne nachvollziehbaren Grund auf Schwierigkeiten. Eine solche Anhäufung willkürlicher Amtshandlungen gab es zuletzt während der Auseinandersetzung mit der Sri Aurobindo Society in den 1970ern und 80ern.
Beurteilung
Die Liste illegaler und unmoralischer Handlungen durch die Auroville-Stiftung und ihre Parteigänger könnte durch zahlreiche weitere Vorkommnisse verlängert werden. Eine umfangreiche Sammlung, die für diesen Artikel Verwendung fand, wird fortlaufend von der Webseite Stand for Auroville Unity veröffentlicht, wo man auch zahlreiche Text- und Bilddokumente, Erklärungen zur Rechtslage und Erläuterungen zum Aufbau von Aurovilles Selbstverwaltung finden kann. Der Unwillen zu einer vernünftigen Zusammenarbeit sowie die offensichtliche Verachtung ihrer Rechte und ihrer Würde, die die Einwohner tagtäglich erfahren müssen, ist so offensichtlich und die Verletzung von Aurovilles Prinzipien durch einige Amtsträger so eindeutig, dass es zur ethischen Beurteilung kaum noch der Analyse der Inhalte der Auseinandersetzung bedarf. Die aurovilianischen Kollaborateure der Stiftung verschlimmern das Faulspiel durch hämische Bemerkungen gegen die Geschädigten und glorifizieren die Anführerin des Putsches mit Zitaten aus Machiavellis Buch „Der Fürst“.
Das Vorgehen ist aus meiner Sicht derart unverhältnismäßig, unrechtmäßig und unmoralisch, dass es in seiner scheußlichen Gesamtschau das vorgebliche Anliegen der Akteure delegitimiert – was auch im Widerstand bedauert wird, denn inhaltlich gäbe es breit akzeptierte umsetzbare Positionen. Jene Staatsdiener, die permanent das Gesetz verletzen, das sie angeblich verteidigen, erweisen darüber hinaus dem Ansehen Indiens als der „weltgrößten Demokratie“ einen Bärendienst, wenn sie meinen, Auroville auf diese Weise in ein Ausstellungsstück nationaler Größe verwandeln zu können.
Vor dem Naturrecht spielt die Frage der Legalität selbstverständlich keine Rolle, denn sie etabliert ebenso wenig Moralität, wie Illegalität Immoralität bedeutet. Rechtes bzw. unrechtes Handeln sind die Folge ethisch korrekter Überlegungen bzw. deren Abwesenheit. Dennoch möchte ich behaupten, dass die Spur von Lügen, Diebstahl, Amtsmissbrauch, Gewalt und des daraus entstehenden Leids, die mit dem Amtsantritt der gegenwärtigen Sekretärin der Stiftung beginnt, auch Rückschlüsse auf die moralische Kompetenz der Handelnden erlaubt. Wer die eigenen Regeln derart mit Füßen tritt, folgt offensichtlich keinen höheren Prinzipien. Gewiss kümmert er sich nicht um Ethik und Moral, sondern glaubt, dass der Zweck die Mittel heiligt – ein unübersehbares Zeichen für spirituelle Armut, das vor dem Hintergrund des Ortes doppelt schwer wiegt. Diese Armut wäre normalerweise niemandes Angelegenheit, sondern ausschließlich eine persönliche Herausforderung; wer sich vor Schaden schützen will, hat die Wahl, sich einfach von solchen Menschen fernzuhalten. Wer jedoch sein primitives Verständnis anderen mit Gewalt aufzuzwingen versucht, muss sich der Beurteilung seines Geisteszustands stellen. Unwissenheit ist keine Entschuldigung, weder vor dem positiven Recht noch vor dem Naturrecht.
Globale Trends
In ihrer eklatanten Unmoral gleicht die Übernahmetruppe in Auroville den kleinen Tyrannen, die gegenwärtig die politischen Geschäfte der „westlichen Wertegemeinschaft“ führen.
- Es werden dieselben Methoden wie im Zuge der Plandemie angewendet: Gleichschaltung von Institutionen durch den Austausch von Führungspersonal; Verbreitung von Verunsicherung und Angst; unprovozierte Gewaltanwendung; Dauerbeschallung mit Propaganda; Spaltung der Bevölkerung; Ausschluss, Entwürdigung und Dämonisierung von dissidenten Stimmen; Projektion der eigenen Denk- und Handlungsweise auf die Gegenseite.
- Statt mit abweichenden Ansichten und Interessen in Ausgleich zu gehen, wird ein knallharter Konfrontationskurs gefahren, bei dem Verständigungsgespräche gemieden und außer unter Zwang keinerlei Zugeständnisse gemacht werden.
- Mittel und Maßnahmen verletzen die eigenen Standards; oft stehen sie dem vorgeblichen Ziel diametral entgegen.
- Die Initiative geht von gut vernetzten Personen aus, die einer nationalen oder internationalen Führungsstruktur direkt unterstellt sind.
Es ist daher nicht zu weit hergeholt, wenn man die These aufstellt, dass die Übernahme Aurovilles durch eine kleine Zahl von Regierungsbeamten weniger der Förderung von Mutters „Traum“ dient, sondern Teil einer globalistischen Plünderungsagenda sein könnte – jene Agenda, die unter Schlagwörtern wie Private-Public Partnership, Neue Weltordnung, Globale Entwicklungsziele, Agenda 2030, oder Great Reset firmiert. Unter Vorspiegelung hehrer Ziele privatisieren Regierungen nationale Güter, Ressourcen und Dienstleistungen und übertragen Entscheidungskompetenzen nach „oben“, etwa an überstaatliche Einrichtungen wie die EU oder halbprivate Organisationen wie die WHO. Im Zuge dessen werden ganze Bevölkerungen enteignet, entwurzelt, entmündigt und irregeführt.
Aus der „Stadt im Dienst der Wahrheit“ soll eine sogenannte Smart City werden, eine Datenkrake, deren Bewohner auf Schritt und Tritt überwacht, gegängelt, manipuliert und mit Grundeinkommen still gehalten werden. Was hier vor sich geht, sollte ein klares Warnzeichen für all jene darstellen, die noch immer glauben, dass Regierungen nur das Gemeinwohl im Auge hätten bzw. im Interesse des Bürgers handelten. Das Gegenteil ist der Fall, denn ihre Interessen stehen denen des Volkssouveräns entgegen. Lügen ist daher, wie Politiker immer wieder zugeben müssen (zuletzt Herr Lauterbach) eine ihrer Hauptbeschäftigungen. Um die Lüge zu schützen, Anordnungen durchzusetzen und sich selbst an der Macht zu halten, bringen staatliche Entscheidungsträger das gesamte verfügbare Arsenal staatlicher Gewalt, sowie die Drohung, es anzuwenden, zum Einsatz. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Fürsten, Oligarchen, Kalifen, Bischöfe, Staatsratsvorsitzende, Generäle, Führer, Präsidenten oder Kanzler handelt. Alle Regierungen handeln grundsätzlich objektiv unmoralisch und auch ihren eigenen vorgeblichen Prinzipien entsprechend unrechtmäßig. Weil sie definitionsgemäß Gehorsam erzwingt, ist jede Form von Regierung (einschließlich direkter Demokratie) Tyrannei, egal wie gemütlich wir uns innerhalb des von ihr vorgegebenen Rahmens einrichten können.
Video: Mark Passio über Regierung, Autorität, Freiheit und Entschlossenheit (Englisch)
Darum ist die Vorstellung, dass sich die Lage der Menschheit in den vergangenen Jahrtausenden verbessert hätte, eine Wunschvorstellung. Das Gegenteil ist der Fall: Die Diktatur ist smarter geworden. Sie hat es verstanden, unsere Zustimmung für ihren Kurs in den Abgrund zu erhalten. Nur ein Geringes trennt uns von nie dagewesenem planetenweiten Leid. Es waren Regierungen, die die Fahrt in die Hölle organisiert und orchestriert haben. Aber machen wir uns nichts vor: Es war die Mehrheit der Bevölkerung, die es ihnen gestattet hat und sie nun sogar dazu auffordert; die Einen, weil sie sich Vorteile versprechen, die Anderen, weil sie sich in Unwissenheit, geistiger Faulheit oder Mangel an Mut suhlen. Sie alle wünschen sich, regiert zu werden, Befehle zu erhalten, Anweisungen zu befolgen.
Auroville ist als experimentelle Gemeinschaft gegründet worden, positive Antworten auf ein Problem zu finden, das keine bekannte oder denkbare Regierungsform lösen kann, weil es seine Ursache in Befehl und Gehorsam hat. Gefragt ist nun die Fähigkeit des freien Individuums, Wahr von Falsch, Recht von Unrecht zu unterscheiden und freiwillig an der Verwirklichung der Einsicht mitzuarbeiten, dass die Menschen im Grunde eins sind. Wer ein Regiment in Auroville zu errichten versucht, das die Einwohner zwingen soll, die äußerlichen Aspekte des dazugehörigen Stadtbauvorhabens gemäß amtlicher Vorgaben umzusetzen, führt das Projekt insgesamt ad absurdum. Völliges Scheitern wäre vorprogrammiert. Wer dies unter dem Deckmantel spiritueller Weisheiten versucht, handelt entweder irregeleitet oder böswillig, denn er vernichtet die kreative Energie der Beteiligten für nachteilige Zwecke, während er ihr Vertrauen in das Gute zerstört.
Was die Einwohner angeht: Wer den Putschisten hilft, ob nun aktiv oder durch Befolgung ihrer Anordnungen, handelt gleichermaßen schändlich. Das ist nicht, wofür Ihr hier seid, liebe Aurovilianer! Die von uns geforderte Zusammenarbeit muss freiwillig und auf Augenhöhe stattfinden, sonst hat sie nichts mit unserem Auftrag zu tun.
Solange Auroville sich in den Krallen der Regierung und der vor ihr kuschenden Herde von Feiglingen befindet, verdient es den Namen Asuraville, die Stadt im Dienst des Bösen, denn es ist zum genauen Gegenteil dessen verkommen, was es einmal verkörpern sollte.
Irrungen des New Age
Und daher ist es von höchster Bedeutung, dass sowohl die Einwohner Aurovilles als auch die Weltbevölkerung die Bedeutung von Geschehnissen wie der Übernahme verstehen, unabhängig davon, wo und wann sie stattfinden: ob unter dem Deckmantel von „Finanzkrise“, „Pandemie“, „Invasion“ oder „Entwicklungsprojekten“. Die Maßnahmen der Regierung sind stets gegen unsere individuellen und kollektiven Interessen gerichtet; statt wie behauptet Schaden von uns fernzuhalten, fügen sie ihn zu und tun uns dadurch Gewalt an. Wir haben jedes Recht auf Widerstand.
Weil sie, gestützt von falschen New-Age- „Weisheiten“, einem falschen Verständnis der zugrunde liegenden Prinzipien erliegen, glauben viele, dass man in Fällen wie der Übernahme Aurovilles höchstens eine Protestnote einreichen könne. Wer von Gewaltverbrechen betroffen ist, glauben sie, sollte sich fragen, wodurch er es auf sich gezogen hat. Wer auf Fehlverhalten hinweist, „projiziert“, und wer sich von den Tätern distanziert, gilt als Spalter. Wer als Geschädigter die Gerichte anruft, verhält sich unrechtmäßig aggressiv. Und wenn Du Dich weigerst, dem Bösen zu weichen, wird man Dich zum Verbrecher stempeln. Stellen wir ein paar Dinge richtig:
- Wer Gewalt ausgesetzt ist, hat nicht darum gebeten. – Wir erinnern uns: Gewalt ist die unverlangte, unprovozierte Zufügung von Schaden. – Wer anderes behauptet, glaubt vermutlich auch, dass ein Vergewaltigungsopfer den Übergriff verdient hätte. Wer anderen schadet, indem er ohne Zustimmung ihren Besitz, ihre Freiheit, ihre Gesundheit, ihren Partner, ihre Urteilsfähigkeit, ihre Selbstbestimmtheit oder ihr Leben nimmt, handelt immer unmoralisch. Die Wahrheit über das, was uns geschehen ist, zu verkünden, ist ein Recht, und es sind die Täter, die ihre Schuld auf das Opfer projizieren, nicht umgekehrt. Man muss klar zwischen dem unterscheiden, der Schaden zufügt, und dem, der geschädigt wird. Sie beide als „gleichermaßen im Konflikt befindlich“ zu behandeln fühlt sich grundverkehrt an – denn genau das ist es auch. Weil sie sehr wohl wissen, dass sie ein Unrecht begangen haben, vermeiden die Täter klärende Gespräche meist um jeden Preis. Sie haben keinen akzeptablen Grund für ihr Handeln, daher reagieren sie auf Ansprache aggressiv oder sogar körperlich übergriffig. In solchen Fällen, in denen alle Versuche auf einvernehmliche Beilegung scheitern, kann Kraftanwendung oder die Anrufung eines Gerichts dabei helfen, eine repressive Situation zu beenden. Sowohl unter Naturrecht als auch nach aurovilianischer Auffassung sollte man Gerichte besser aus dem Spiel lassen; wenn der Gegenspieler jedoch keine Person sondern eine Körperschaft ist, würde ich mir diese Option definitiv vorbehalten. Und die Anwendung von Kraft oder Waffen als Reaktion auf einen Angriff ist natürlich keine Gewalt, sondern legitime Notwehr. Sie mag in manchen Situationen eine weise Wahl sein, in den meisten anderen dagegen ist sie eher nicht ratsam, denn der zugefügte Schaden kann Vergeltung provozieren und hat über Jahre, manchmal Jahrhunderte hinweg für beide Seiten unliebsame Folgen. Sich in Nicht-Kampf-Konfliktlösungen zu üben sollte daher Priorität haben.
- Wer die Prinzipien des Naturrechts kennt und sich nach ihnen ausrichtet, hat den Grundstein für ein friedliches Leben gelegt. Und dennoch wird er, solange er sich um seine Familie, Nachbarn, Gemeinde, Lebensbereich oder Leitprinzipien kümmert – der Wahrheit zu dienen beispielsweise –, entschieden für deren Unversehrtheit kämpfen, wenn sie angegriffen werden. Ideologischer Pazifismus gehört nicht ins Naturrecht, denn er behauptet, es gäbe nichts, das des Kampfes wert wäre, und dass Du Deine Hände in den Taschen vergraben sollst, während alles Erreichte beschädigt, gestohlen oder zerstört wird und Deine Liebsten vertrieben, versklavt, vergewaltigt, gefoltert oder getötet werden.
- Und wann hat Pazifismus je funktioniert? Hat er den karibischen Stämmen geholfen, die Kolumbus mit einem Festmahl willkommen hießen, bevor er sie versklavte? Hat er für die Indianer Neuenglands funktioniert, die den ersten Kolonisten durch den Hungerwinter halfen, bevor diese sie überrannten? Was ist mit der Appeasement-Politik der 1930er Jahre – hat sie den Krieg verhindert? Haben Unterschriftenlisten Pol Pots Genozid an Kambodschas „Oberschicht“ beendet? Die Wirksamkeit von Passivismus, wie man die Haltung eigentlich nennen müsste, bei der Verhinderung des Schlimmsten bleibt weit hinter den Erwartungen zurück.
Diktaturen beginnen häufig nicht mit Gemetzel, sondern mit einfachen unmoralischen oder illegalen Handlungen, die sich in rationalistische, moralistische oder legalistische Schafspelze kleiden. Ein falsches Verständnis von Friedlichkeit und Anstand hilft den Tätern, ihre menschenverachtende Agenda bis zu ihrem bitteren Ende zu treiben. „Wehret den Anfängen“ heißt, dass man die Parallelen zu anderen Ereignissen der Gegenwart und Geschichte frühzeitig erkennt und böses Treiben beendet, bevor es entartet.
Angesichts des immensen Schadens, den die Plandemie-Maßnahmen angerichtet haben, sollte niemand mehr daran zweifeln, dass die meisten Regierungen heute wie selbstverständlich Millionen ihrer Bürger bei dem Versuch opfern, Macht zu gewinnen und zu bewahren. Darum muss ich die Aurovilianer, die sich noch immer nicht aktiv gegen die Übernahme zur Wehr setzen, fragen: Glaubt Ihr wirklich, dass der Raubzug der Kaperbande zum Stillstand kommt, bevor Ihr persönlich davon betroffen seid? Glaubt Ihr wirklich, dass sie sich zieren, tausende von Visumempfängern auszuweisen und den Rest von uns als Statisten zu benutzen, die vor einer touristischen Stadtkulisse die glücklichen Aurobindo-Apostel mimen? Meint Ihr, sie kommen zur Besinnung, bevor etwas wirklich Schreckliches geschieht, das für immer als Schandfleck auf Aurovilles Geschichte lastet? Ich frage außerdem die aktiven Kollaborateure, ob sie wirklich glauben, dass ihnen die Kräfte des Bösen helfen werden, das Gute zu erreichen? Welches Auroville soll dabei herauskommen, wenn man Menschen so behandelt, wie Ihr es tut?
Systemfrage
Es stimmt schon: karmische Kräfte werden letzten Endes für den gerechten Ausgleich sorgen, doch das ist ein schwacher Trost für jene, die heute unter die Räder kommen. Das Gesetz des Lebens wird jede unmoralische Gesellschaft schließlich ausmerzen. Wer jedoch mit dem Übel zusammenarbeitet oder auch nur still danebensteht, wenn andere leiden, wird zum willigen Diener asurischer Kräfte. Auch wenn Du es noch so heftig leugnest, wird das Karmische, das Naturrecht keine Ausflüchte berücksichtigen, nur aufrichtige Einsicht und Wiedergutmachung.
Die Geschehnisse in Auroville haben wie gesagt Parallelen überall auf der Erde, was niemand überraschen dürfte, der irgendwann während der letzten 3000 Jahre mit offenen Augen gelebt hat. Unser Bemühen für die Freiheit zum Guten ist Teil einer größeren Auseinandersetzung, die wir uns im nächsten, dem vierten Artikel der Serie ansehen werden. Dann erfährst Du mehr darüber, was es mit den „asurischen Kräften“ auf sich hat, die, wie Du vielleicht schon herausgefunden hast, mit den dunklen Anteilen der menschlichen Psyche verbunden sind. Dort finden wir den Hebel gegen den eigentlichen Feind des Menschen, die tieferen Triebkräfte dessen, was wir gern als „System“ bezeichnen.
„In der Tat kann kein System aus sich selbst heraus den Wandel hervorbringen, den die Menschheit dringend benötigt; denn den schafft sie nur, indem sie zu den bleibend verwirklichten Möglichkeiten ihrer eigenen höheren Natur heranreift; und diese Reifung verlangt eine innerliche Veränderung, keine äußerliche. Äußerlicher Wandel mag jedoch zumindest günstige Bedingungen für diese wahrhaftigere Verbesserung schaffen – oder im Gegenteil solche Zustände herbeiführen, unter denen nichts außer Kalkis Schwert die Erde wieder von der Last einer starrsinnig asurischen Menschheit läutern kann. Die Wahl liegt allein bei unserer Gattung, denn was sie sät, soll sie als karmische Frucht ernten. – Sri Aurobindo: War and Self-Determination
[Titelbild: Die Prinzessin und der Kobold (1920) von Jessie Willcox Smith (1863-1935)]