Nach mehreren US-Bundesstaaten, Südafrika, Malawi, Österreich, Portugal und Ecuador, wo die Maßnahmen als verfassungswidrig eingestuft wurden, hat nun auch Deutschland ein aussagekräftiges Urteil zu den Corona-Verordnungen. Erstmalig hat sich ein deutscher Richter intensiv mit den medizinischen Fakten, den wirtschaftlichen Folgen und den Auswirkungen der konkreten Politik auseinandergesetzt. Sein Urteil vom 11.01.2021 zum von der Thüringer Landesregierung verhängten Versammlungsverbot, mit Hinblick auch auf die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung, ist eine schallende Ohrfeige, die außerdem die Aussagen der Dokumentation von Sebastian Götz („DieZerstörung des Corona-Hypes“) in weiten Teilen bestätigt. Ich erinnere mich gut an den Sturm, den ich im Juni für das Posting über mich ergehen lassen musste. Dabei lag die Nicht-Pandemie bereits spätestens im April auf der Hand, wie auch das Gericht feststellte.
Man sollte es sich einmal auf der Zunge zergehen lassen [Inhalt für Lesbarkeit editiert. Original siehe verlinktes Dokument].
Amtsgericht Weimar, Urteil vom 11.01.2021
Az. 6 OWi – 523 Js 202518/20
Highlights des Urteils
Ein allgemeines Kontaktverbot stellt zumindest…einen schweren Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit [Grundgesetz], darüber hinaus aber auch in die Versammlungs-, Vereinigungs-, Religions-, Berufs- und Kunstfreiheit dar, nicht nur, weil es alle Bürger adressiert und zwar unabhängig von der Frage, ob sie Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige [im Sinne des Infektionsschutzgesetzes] sind oder nicht.
Es gab keine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“, wenngleich dies der Bundestag mit Wirkung ab 28.03.2020 festgestellt hat.
Da die Zahl der Neuinfektionen bereits seit Mitte März rückläufig war, ist es nicht überraschend, dass in Deutschland zu keinem Zeitpunkt im Frühjahr 2020 eine konkrete Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems durch eine „Welle“ von COVID-19-Patienten bestand.
[Laut Intensivregister] waren im März und April in Deutschland durchgehend mindestens 40% der Intensivbetten frei.
…die Zahl der COVID-19-Patienten lag damit zu keinem Zeitpunkt in einem Bereich, bei dem eine Überlastung des Gesundheitssystems zu befürchten gewesen wäre.
[Daten aus 421 Kliniken bestätigen,] dass die Zahl der in Deutschland im ersten Halbjahr 2020 stationär behandelten SARI-Fälle (= schwere Atemwegserkrankungen) mit insgesamt 187.174 Fällen sogar niedriger lag als im ersten Halbjahr 2019 (221.841 Fälle), obwohl darin auch die COVID bedingten SARI-Fälle mit eingeschlossen waren. Auch die Zahl der Intensivfälle und der Beatmungsfälle lag nach dieser Analyse im ersten Halbjahr 2020 niedriger als in 2019.
Sowohl 2017 als auch 2018 gab es danach im ersten Halbjahr mehr Todesfälle als in 2020.
Die Letalität beträgt nach einer Metastudie des Medizinwissenschaftlers und Statistikers John Ioannidis, eines der meistzitierten Wissenschaftler weltweit, die im Oktober in einem Bulletin der WHO veröffentlicht wurde, im Median 0,27%, korrigiert 0,23 % und liegt damit nicht höher als bei mittelschweren Influenzaepidemien.
Da nach allem keine Situation bestand, die ohne einschneidende Maßnahmen zu „unvertretbaren Schutzlücken“ geführt hätte, sind [Teile der Thüringer Eindämmungsverordnung] wegen Verstoßes gegen die Anforderungen der Wesentlichkeitslehre verfassungswidrig.
Das allgemeine Kontaktverbot bzw. das Ansammlungsverbot gem. [Thüringer Eindämmungsverordnung] ist aus materiellen Gründen verfassungswidrig, weil es die in Art. 1 [Grundgesetz] als unantastbar garantierte Menschenwürde verletzt. Unantastbarkeit der Menschenwürde heißt, dass eine Verletzung der Menschenwürde nicht mit anderen Grundwerten der Verfassung gerechtfertigt werden kann; der Achtungsanspruch der Menschenwürde ist kategorisch.
Auf den vorliegenden Fall bezogen ergibt sich daraus folgendes: Bei einem allgemeinen Kontaktverbot handelt es sich um einen schweren Eingriff in die Bürgerrechte. Es gehört zu den grundlegenden Freiheiten des Menschen in einer freien Gesellschaft, dass er selbst bestimmen kann, mit welchen Menschen (deren Bereitschaft vorausgesetzt) und unter welchen Umständen er in Kontakt tritt. Die freie Begegnung der Menschen untereinander zu den unterschiedlichsten Zwecken ist zugleich die elementare Basis der Gesellschaft. Der Staat hat sich hier grundsätzlich jedes zielgerichteten regulierenden und beschränkenden Eingreifens zu enthalten. Die Frage, wie viele Menschen ein Bürger zu sich nach Hause einlädt oder mit wie vielen Menschen eine Bürgerin sich im öffentlichen Raum trifft, um spazieren zu gehen, Sport zu treiben, einzukaufen oder auf einer Parkbank zu sitzen, hat den Staat grundsätzlich nicht zu interessieren.
Hinzu kommt und als gesondert zu würdigender Aspekt ist zu beachten, dass der Staat mit dem allgemeinen Kontaktverbot zum Zwecke des Infektionsschutzes jeden Bürger als potentiellen Gefährder der Gesundheit Dritter behandelt. Wird jeder Bürger als Gefährder betrachtet, vor dem andere geschützt werden müssen, wird ihm zugleich die Möglichkeit genommen, zu entscheiden, welchen Risiken er sich selbst aussetzt, was eine grundlegende Freiheit darstellt. Ob die Bürgerin abends ein Café oder eine Bar besucht und um der Geselligkeit und Lebensfreude willen das Risiko einer Infektion mit einem Atemwegsvirus in Kauf nimmt oder ob sie vorsichtiger ist, weil sie ein geschwächtes Immunsystem hat und deshalb lieber zu Hause bleibt, ist ihr unter der Geltung eines allgemeinen Kontaktverbotes nicht mehr zur Entscheidung überlassen. Das freie Subjekt, das selbst Verantwortung für seine und die Gesundheit seiner Mitmenschen übernimmt, ist insoweit suspendiert.
Soweit der Auffassung, dass die hier zur Rede stehenden Normen die Menschenwürde verletzen, nicht gefolgt wird, genügen die [Verordnungs-] Normen jedenfalls nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot.
Der Verordnungsgeber trägt die volle Verantwortung für die Verfassungsmäßigkeit der von ihm erlassenen Verordnung und kann diese auch nicht teilweise an das Robert Koch-Institut delegieren [… Er muss sich mit Daten auch] aus anderen, ihm zugänglichen Quellen selbst auseinandersetzen […] Unter Beachtung dieser Anforderungen ist die Frage, ob der Verordnungsgeber die Verlängerung des Lockdowns als erforderlich zur Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems erachten durfte, eindeutig mit „Nein“ zu beantworten.
Der Verordnungsgeber konnte danach wissen, dass die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland bereits seit Mitte März sank. Es gab danach für ihn keinen Grund für die Annahme, es könnte doch noch eine Welle von COVID-19-Patienten auf die Thüringer Kliniken zukommen. Dafür hätte es eine Trendumkehr geben müssen, für die es keinerlei Anhaltspunkte gab.
Der Verordnungsgeber konnte aus den Daten des Robert Koch-Instituts auch erkennen, dass es keine Hinweise auf die Wirksamkeit des am 22. März beschlossenen Lockdowns gab, so dass für den Fall der Aufhebung des Lockdowns auch nicht mit einem erneuten Anstieg der Infektionen zu rechnen war.
Es gab also auch bei einem ungeachtet der klaren Datenlage verbliebenen Misstrauen hinsichtlich der Stabilität der Entwicklung keinen Grund für eine vorsorgliche Verlängerung des Lockdowns.
Hinsichtlich der Kosten des Lockdowns ist zunächst erneut festzuhalten, dass es sich bei den mit dem Lockdown verbundenen Freiheitseinschränkungen um die umfassendsten und weitreichendsten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik handelte. Schon daraus ergibt sich, dass die Freiheitseinschränkungen ein so großes Gewicht haben, dass sie allenfalls dann gerechtfertigt sein können, wenn die Gefahr, deren Bekämpfung sie dienten, ganz außergewöhnlich groß war
Noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands sind wirtschaftliche Schäden in dieser Größenordnung durch eine staatliche Entscheidung verursacht worden.
Während des Lockdowns im Frühjahr wurden in Deutschland mehr als 908.000 Operationen abgesagt.
Nach dem Gesagten kann kein Zweifel daran bestehen, dass allein die Zahl der Todesfälle, die auf die Maßnahmen der Lockdown-Politik zurückzuführen sind, die Zahl der durch den Lockdown verhinderten Todesfälle um ein Vielfaches übersteigt. Schon aus diesem Grund genügen die hier zu beurteilenden Normen nicht dem Verhältnismäßigkeitsgebot. Hinzu kommen die unmittelbaren und mittelbaren Freiheitseinschränkungen, die gigantischen finanziellen Schäden, die immensen gesundheitlichen und die ideellen Schäden. Das Wort „unverhältnismäßig“ ist dabei zu farblos, um die Dimensionen des Geschehens auch nur anzudeuten. Bei der von der Landesregierung im Frühjahr (und jetzt erneut) verfolgten Politik des Lockdowns, deren wesentlicher Bestandteil das allgemeine Kontaktverbot war (und ist), handelt es sich um eine katastrophale politische Fehlentscheidung mit dramatischen Konsequenzen für nahezu alle Lebensbereiche der Menschen, für die Gesellschaft, für den Staat und für die Länder des Globalen Südens.