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Eine Sache, die mich immer gestört hat, wenn ich mich beispielsweise in der Öffentlichkeit bewegt habe, war dieses konstante Summen und Brummen in der Luft, dieses nie enden wollende Hintergrundgeräusch kommunizierender Menschen und ich wunderte mich, weshalb ich das Rauschen der Wälder, das Plätschern eines Baches oder Vogelgezwitscher als nicht halb so anstrengend empfand, wie das vor-sich-Hinlabern eines Fernsehapparates, Plakatwände in allen Winkeln des Sichtfeldes oder das Zugegensein bei anderer Leute Telefongesprächen.

Während ich unter einem strahlend blauen südindischen Himmel den Geräuschen der anderen Farmbewohner lausche – den Hühnern, den Bäumen, den Raben, den Geckos, den Menschen – und sich tiefer Friede in mir breit macht, höre ich in weiter Ferne das Geleiere einer politischen Ansprache aus einem Lautsprecher irgendwo in einem Dorf. Ich spüre wieder das selbe Unbehagen aufkommen. Und auf einmal wird mir bewusst, was das ist, das mich beunruhigt und mir Energie raubt. Es ist nicht Misanthropie; das habe ich hinter mir. Es ist auch nicht Lärmbelästigung; dafür ist es nicht laut genug.
Es ist Gedankenverschmutzung.

Es ist das unverlangte Angefülltwerden mit Informationen und Emotionen, die nicht Teil eines gemeinsam geführten Gesprächs sind. Einseitige Kommunikation dieser Art – über Megaphon, über Radio, Telefon, Fernsehen, Zeitung, Plakatwände, Flugblätter – ist die kleine Schwester der Gehirnwäsche, ist Gewalt im Kleid vermeintlich harmloser Information. Sie beeinflusst nicht einfach nur unser Denken, sondern nimmt es uns gleich ganz ab, um es durch Botschaften von Mutter Kultur zu ersetzen. Manche Leute sagen, sie brauchen den Fernseher, um einschlafen zu können. Andere brauchen das Radio, um ihre Arbeit im Haushalt erledigt zu bekommen. Wieder andere benötigen das Klingeln des Telefons, um sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen.

So weit ist die Dauerbeschallung durch Massenmedien und Telekommunikation gediehen, dass Menschen sich unangenehm fühlen, wenn für eine Weile Stille eintritt – Entzugserscheinungen der Abhängigkeit von externen Reizen. Ohne diese Abhängigkeit erzeugt das Dauerbombardement mit „Verbraucherinformationen“, „dringenden“ Anrufen und Hintergrundbeschallung Schmerzen. Wenn ich von Orten wie Auroville, wo es keine Plakatwerbung, kaum Fernsehapparate und keine öffentlichen Ansprachen gibt, in die bunte Welt des Konsums zurückkehre, und sei es nur ins nächstbeste Tamilendorf, wird mir bewusst, wie weit die Gedankenverschmutzung inzwischen um sich greift.

Ich bin kein Luddit im eigentlichen Sinn. Auch wenn ich das direkte Gespräch einem Telefonat vorziehe, so weiß ich doch die Vorteile zeitgenössischer Technik zu schätzen. Aber ich beobachte sehr wohl die Folgen missbräuchlicher, übermäßiger, unnötiger Anwendung technischer Errungenschaften, insbesondere im Kommunikationsbereich, und ich wehre mich standhaft gegen die Vereinnahmung durch sie. Wenn man klaren Geistes sein möchte, dann ist es unabdingbar, dass man die Souveränität über seine Kommunikation behält, Informationsquellen selbst wählt und über den Zeitpunkt und das Ausmaß des Informationsflusses bestimmt – auch, und gerade dann, wenn die überwältigende Mehrheit der Leute es anders hält.

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