50 leckere Gerichte aus Kuhmist

50 leckere Gerichte aus Kuhmist

Es scheint einerseits zwecklos, heute über etwas anderes als das schreiben zu wollen. Doch andererseits: Was soll ich mich zu etwas äußern, das ohnehin 24/7 durch alle Medien gezogen wird? Laufende Updates bei der Süddeutschen, daueraktualisierte Seiten bei der Welt, Minutenticker beim Spiegel und wie sie nicht alle heißen; tagelang rund-um-die-Uhr-Berichterstattung bei n-tv und n24 – was sonst noch auf dem Planeten geschieht, erhält schon gar keine Erwähnung mehr; dafür muss man umschalten. Doch auch dort: mannigfaltig Sondersendungen allüberall, heavy rotation derselben 50 Aufnahmen wieder und wieder und noch einmal von vorn auf sämtlichen Kanälen.

Lasst uns einmal abgehoben vom spezifischen Ereignis betrachten, was hier geschieht – wieder und wieder und noch einmal von vorn – genau wie in den Fernsehbildern, nur auf Jahrzehnte ausgedehnt: Sellafield, Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima. Über unsere Köpfe hinweg angewendete Technologie, mit katastrophalen Folgen außer Kontrolle geraten – wieder und wieder und noch einmal von vorn. Angeblich gegen alle erdenklichen Störfälle abgesichert – und doch…

Und dann: Nicht-Information, Informationsverschleppung, Datenunterdrückung, Ignoranz. Lügen, abwiegeln, herunterspielen, verharmlosen, euphemisieren. Sellafield, Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima.
Regierungen erklären den Opfern ihr geheucheltes Mitgefühl, während sie der Atomindustrie ihren Kadavergehorsam aussprechen. Es sei nicht der richtige Zeitpunkt, über Abschaltung zu reden (7:54 ff.), denn: Bei uns sind die Anlagen sicher – wieder und wieder und noch einmal von vorn.

Und erneut verkaufen sie uns 50 leckere Gerichte aus Kuhmist, in hübsche Worte gefasste Perversitäten, Schweinereien im Schmuckeinband. Wohlfeile Gutenachtmärchen, mit denen man das gemeine Volk einlullt. Dafür, und für das viele schöne Geld, das sich mit Katastrophenberichterstattung machen lässt, sind all die Sondersendungen da. Sprach- und tatenlos stehen wir vor unseren Werken; das intelligenteste Wesen der Erde: Hiroshima, Nagasaki, Sellafield, Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima! … Neckarwestheim?

Fehler sind dazu da, aus ihnen zu lernen und Konsequenzen zu ziehen. Darum lohnt es sich genau hinzusehen. Wer das nicht möchte, braucht keine Nachrichten. Er kann weiter in rauhen Mengen Strom verbrauchen und freigesetzte Radioaktität in Kauf nehmen, weiterhin Neuseelandäpfel erstehen und sich dafür Klimawandel einhandeln, weiterhin Fleisch essen und Hungerkatastrophen und Tierquälerei hinnehmen. Solange noch irgendjemand wählen geht, den Supermarkt frequentiert, die Wäsche in den Trockner wirft, für Geld arbeiten geht – mit anderen Worten fortgesetzt und wieder und wieder und noch einmal von vorn das System stützt, das solche Ereignisse hervorruft, möchte ich keine Klagen hören. Mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen. Schluckt runter, worum ihr gebettelt habt!

Foto: Fukushima Daiichi, by Charles Leblanc (cc by-sa 2.0 gen.)
 

 

2 thoughts on “50 leckere Gerichte aus Kuhmist

  1. Hm. Ich mache ja im Prinzip so gut wie alle Dinge, die du im letzten Absatz aufzählst, aber da ich nicht klage, sondern nur spreche (schreibe), geht das doch in Ordnung, oder?

    Im Großen und Ganzen hast du mit deiner Analyse der Scheinheiligkeit meine Zustimmung, ich möchte aber noch ergänzen, dass ein Einsparen an Strom – weil alle plötzlich Einsicht zeigen und Mac & TV nicht mehr 24/7 im aktiven oder stand-by Zustand laufen lassen – überhaupt nichts an der Handhabung der Atomkraft in Deutschland ändern würde. Man würde einfach nur noch mehr exportieren (juhu, selbst mit mittlerweile 8 abgeschalteten Atomkraftwerken müssen wir höchstens geringe Mengen importieren, zu Bestzeiten exportieren wir immernoch). Wir haben ironischerweise ja fast Glück gehabt, dass die Scheisse da drüben (ich mags ja gar nicht anders nennen) gerade jetzt passiert ist, wo die Zeichen und Zahlen für die konservativen chwarzgelden schlechter fast nicht sein können. Wie erwartest du, dass eine Kehrtwende in Sachen Energiepolitik stattfinden kann, wenn man nicht wählen geht?
    (Nicht, dass du jetzt denkst, ich erwarte, mit einer grün-geführten Regierung würde jetzt morgen alles gut werden. So naiv bin ich dann doch nicht. Aber ich sach mal, viel schlimmer als mit dem bis vor vier Wochen aktuellen Stand gehts wohl nicht.)

  2. Wenn ich mir anschaue, dass trotz dieses Ereignisses so gut wie niemand die Frage stellt, wozu überhaupt AKWs gebaut werden, d.h. weshalb wir in großem Maßstab Energie verbraten, bin ich mir nicht mehr so sicher, ob wir "Glück" hatten. Offenbar braucht Europa etwas mehr Nachdruck, bevor es die Lektion versteht.
    Innerhalb des gegebenen Rahmens wird sich meines Erachtens nichts zum Besseren wenden, sondern sich zu immer höheren Katastrophenmarken auftürmen. Denn der Rahmen selbst ist das Problem, und nicht die verfehlte Energiepolitik, wie du so schön mit deinem Mac/TV-Beispiel andeutest. Weshalb ich das so sehe und ob es ok ist, wenn man sich *nicht* beschwert, schreib ich lieber in den nächsten Eintrag (vielleicht kommende Woche). Dafür muss ich etwas weiter ausholen.

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