Alles was recht ist

Alles was recht ist

Die deutsche Gesellschaft ist in so manchem Sinne schon eine Orwell’sche. Die meisten meiner Mitmenschen würden das wohl vehement abstreiten wollen, aber die Wirklichkeit ist bereits über Orwells Vision hinausgeschossen. Es bedarf zur Errichtung einer Diktatur nicht unbedingt eines charismatischen Führers, nur einer Struktur; nicht unbedingt dreier Machtblöcke, sondern nur eines einzigen: des überall herrschenden Geldsystems. Die Gewalttätigkeit, die von diesem System auf unser individuelles Leben ausstrahlt, ist so allumfassend, dass sie eigentlich Gegenwehr auslösen sollte, wäre da nicht die ebenso allumfassende Lüge von der Linearität allen Seins, insbesondere vom Aufstieg der Menschheit, der besagt, dass es im großen und ganzen jeder neuen Generation besser geht als ihren Vorvätern. Mit dieser Vorgabe wird Geschichtsfälschung betrieben, werden die Gegenwarts-Berichterstattung manipuliert und die Zukunftserwartungen modelliert. Hat man sich die Denkweisen des Systems zu eigen gemacht, ist die Lüge unmöglich zu sehen. Doch schon wenige Risse im Bluescreen genügen, damit die Zeichen an der Wand wieder zum Vorschein kommen. Ich muss mich nicht groß bemühen, sie zu lesen. Sie springen mir von allein ins Gesicht.

Krieg ist Frieden. Ist es nicht das Argument der Kriegsbefürworter, unsere Freiheit (und damit unser Friede) werde am Hindukusch verteidigt?
Freiheit ist Sklaverei. Ohne Geld keine Befriedigung der Grundbedürfnisse. Darum begeben wir uns freiwillig in Lohnsklaverei.
Unwissenheit ist Stärke. Nur ein Unwissender – und ein Nicht-wissen-Wollender – ist in der Lage, seine Position als Rädchen in der Gesellschaft auszuüben. Nur er ist daher in der Lage aufzusteigen. Wissen führt dich auf einen Pfad, von dem es kein Zurück gibt. Ein moralisch integeres Wesen, das die gegenwärtigen Strukturen auf irgendeinem der Felder moderner Gesellschaft durchschaut, wird seine Komplizenschaft umgehend beenden.

Wir hören dieser Tage wieder viel von Orwells 1984. Es ist der Archetyp für eine Gefahr geworden, der wir uns gegenüber sehen. Orwells Dystopie beruht jedoch nicht auf sensiblem Gespür für aufkommende Trends, sondern ist tief verwurzelt in persönlicher Erfahrung, und zwar nicht nur im Kampf gegen Kommunismus und Faschismus, sondern gerade auch der nominell demokratischen Gesellschaft Großbritanniens.

So gesehen kommen Vergleiche, die Systemkritiker zwischen 1984, Demokratie, Kommunismus und Faschismus anstellen, nicht von ungefähr. Sie mögen oft überzogen wirken, überstrapaziert in jedem Fall. Im Kern aber habe ich kein Problem damit, Akronyme wie “FDGO” mit Faschistische Diktatur der Geld-Oligarchie zu übersetzen, da diese Gleichung in vielerlei Hinsicht Entsprechungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit besitzt: korporative Wirtschaft in Verschmelzung mit dem Staatswesen, bewegte Massen, gleichgeschaltete Medien, Primat der Effizienz, hierarchische Organisation, fortschreitende Militarisierung und diverse andere Aspekte. Ich möchte den Vergleich jedoch nicht zu weit treiben, um mich nicht in semantischen Spielereien zu verlieren. All das sind nur Worte. Symbole für Abstraktionen. Faschismus, Sozialismus, repräsentative Demokratie, Monarchie, Theokratie und alle anderen Bezeichnungen von Staatsformen stehen für ein und das selbe: die Aneignung individueller Selbstbestimmung (auf kollektiver Ebene Volkssouveränität genannt) durch einen kleinen Personenkreis.

Das geschieht selten ohne Begründung. Damit eine Minderheit gegenüber einer Mehrheit ihren Willen durchsetzen kann, muss sie diese von der Rechtmäßigkeit des Herrschaftsanspruchs überzeugen. Das Wort dafür heißt Legitimität, abgeleitet vom lateinischen Wort für “gesetzmäßig”. Zitiert werden je nach Zeitgeist göttliches Recht, angebliche Gesellschaftsverträge, Geburtsrecht, Staatsrecht, Notstandsgesetze und anderes mehr. Wie beim Glaube an den Wert des Geldes, so ist es auch hier der Glaube an die Richtigkeit, die Gerechtigkeit, die Gültigkeit des angeführten Rechts, welche dem Anspruch Wirksamkeit verleiht. Weist die Mehrheit den Anspruch zurück, weil es ihr an Glauben mangelt, so bleibt der Minderheit nur Gewalt. Zu dieser zähle ich durchaus finanziellen Druck, da solcher unter gegenwärtigen Bedingungen lebensbedrohliche Auswirkungen hat.
Angesichts der faktischen Entmachtung des Volkes nach geltendem Recht kann “streitbare Demokratie” nur eines bedeuten: Die einseitige Ausübung von Gewalt der herrschenden Elite gegen Beeinträchtigung ihres Anspruchs auf Herrschaft – und Profit!
Doch auch jenen Weg kann die Mehrheit blockieren, wenn sie sich stur stellt, d.h. den Glauben an das, was sie eigentlich für (moralisch) richtig hält, mit allen Mitteln verteidigt. Intuitives Wissen befördert äußere Stärke, innere Freiheit spiegelt sich in anarchischer Selbstbestimmtheit, und friedfertiges Denken schafft äußeren Frieden.

Eigentlich haben wir es heute so einfach wie nie zuvor, unser persönliches Rechtsempfinden durchzusetzen, d.h. die Moral in uns selbst zu verwirklichen, denn die Revolution von heute ist eine Revolution des Inneren, jenes Ortes, der uns am leichtesten zugänglich ist. Sie erfordert nicht, dass wir etwas tun. Sie erfordert, dass wir etwas nicht tun: wählen, konsumieren, den Massenmedien zuhören, gehorchen oder dominieren.

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