Aus einem Buch, das ich in Auroville auf einem Tisch herumliegen sah, möchte ich ein paar Zeilen zitieren. Ich habe das Vorwort, in dem der Autor seine Sicht der Gegenwart brillant auf den Punkt bringt, in aller Kürze zusammengefasst. Was sich oberflächlich wie schlechte Nachrichten liest, enthält genauer besehen den Schlüssel für eine freundlichere Zukunft: die Formbarkeit des menschlichen Geistes. Über die daraus abgeleiteten Lösungsvorschläge werde ich ein andermal schreiben. In einigen meiner früheren Einträge klangen diese auch schon an.
Wer Interesse hat, kann den Volltext in einer von zehn Sprachen herunterladen. „The Ascent of Humanity“ ist ausdrücklich für die nichtkommerzielle Weitergabe freigegeben.
Die zerschmetterten utopischen Träume der letzten Jahrhunderte lassen wenig Hoffnung. Trotz der Wunder, die wir erschaffen haben, teilen die Menschen über das ideologische Spektrum hinweg, von christlichen Fundamentalisten bis hin zu ökologischen Aktivisten, die Vorahnung, dass sich die Welt in ernster, wachsender Gefahr befindet. Einstweilige und umgrenzte Verbesserungen können die offensichtliche Fehlgeleitetheit nicht verbergen, die das Gewebe der Gesellschaft, wie auch oft unser persönliches Leben selbst durchdringt. Mögen wir uns in jedem auftretenden Problem und jedem vorhersehbaren Risiko auch behelfen, eine grundlegende Unruhe verbleibt doch. Ich beziehe mich hier einfach auf dieses Gefühl: „Irgendetwas stimmt hier nicht.“ Irgendetwas ist so fundamental falsch, dass Jahrhunderte unserer besten und klügsten Bemühungen, eine bessere Welt zu schaffen, gescheitert sind oder gar einen gegenteiligen Effekt hatten. (2)
Eine andere Form des Seins ist möglich, und das direkt vor unseren Augen, näher als nah; soviel ist offensichtlich sicher. Dennoch entschlüpft es auch wieder so leicht, dass wir kaum glauben, dass es die Grundlage für das Leben bilden könnte; so schreiben wir es einem Leben nach dem Tode zu und nennen es Himmel, oder wir schreiben es einer ungewissen Zukunft zu und nennen es Utopia. (3)
Ich [habe] die letzten zehn Jahre damit verbracht, zu versuchen zu verstehen, was uns und was mich von der besseren Welt zuruckhält, von der unsere Herzen sagen, dass sie existiert. Zu meinem grenzenlosen Erstaunen entdecke ich fortwährend eine den verschiedenen Krisen des modernen Zeitalters zugrundeliegende gemeinsame Wurzel. Hinter den enormen Schwaden des Ruins, den unsere Zivilisation herausgearbeitet hat, steckt nicht die menschliche Natur, sondern ihr Gegenteil: die Verleugnung der menschlichen Natur. Diese Verleugnung wiederum fußt auf einer Illusion, einem Irrglauben über das Selbst und die Welt. Wir haben uns als etwas anderes definiert, als was wir sind, und zwar als diskrete Subjekte, getrennt voneinander und getrennt von der Welt, die uns umgibt. (3 f)
Ich bin immer wieder erstaunt, wie derselbe fundamentale Irrglaube über das Selbst Phänomenen zugrunde liegt, die so unverbunden erscheinen, wie der Krieg im Irak, Urheberrechte, Antibiotikaresistenzen, saurer Regen, ethnische Säuberungen, Werbeflut, Zersiedlung städtischen Umlands und die sinkende Alphabetisierung in den Vereinigten Staaten. (8)
Indem wir uns selbst als diskrete und abgetrennte Wesen sehen, versuchen wir natürlicherweise das Nicht-Selbst zu unserem besten Vorteil zu manipulieren. Technologie stützt sich im besonderen auf eine Art Individuation oder konzeptuelle Trennung von der Umwelt, da sie die physikalische Welt als Objekt ihrer Manipulation und Kontrolle verwendet […] Technologie ist nicht nur gegründet auf einer konzeptuellen Trennung von der Natur, sondern sie verstärkt diese Trennung gar. Technologie distanziert uns von der Natur und isoliert uns von ihren Rhythmen. (9)
Wir sehen uns mit einem Paradoxon konfrontiert. Auf der einen Seite sind Technologie und Kultur grundlegend für die Trennung der Menschen von der Natur. Diese Trennung ist die Wurzel der zusammentreffenden Krisen des gegenwärtigen Zeitalters.
Auf der anderen Seite versuchen Technologie und Kultur explizit, die Natur zu verbessern: das Leben einfacher zu machen, sicherer und komfortabler […] Oder zumindest ist es das, worauf Technologie abzielt. Aber haben wir die Welt tatsächlich besser gemacht? Wenn nicht, warum hat dann die Technologie nicht ihr angestrebtes Ziel erreicht?
Noch einmal: Wie kann eine Serie schrittweiser Verbesserungen eine Krise ergeben? (9 f)
Kapitel I wird beginnen, diese Fragen zu beantworten, indem es einen fundamentalen Fehler in der Anlage unserer Grundvoraussetzungen der Technologie und darüber hinaus in der Verallgemeinerung der Technologie zum „Programm der Kontrolle“ beschreibt. Indem wir dieses durch die Linse der Sucht betrachten, werden wir sehen, dass die oben erwähnte Verzweiflung gerechtfertigt ist, dass uns unsere gesamte Herangehensweise bei der Problemlösung hilflos macht, irgendetwas zu unternehmen, ohne die herannahenden Krisen nur noch zu verschlimmern. Wie bei einem im Treibsand steckenden Tier; je härter wir kämpfen, desto schneller sinken wir. (10)
Unsere Opposition bezüglich der Natur und der menschlichen Natur, die implizit ist in der technologischen Mission, sie zu verbessern, kann nur eine „Welt unter Kontrolle“ zur Folge haben. Sie manifestiert sich in jedem Bereich, von der Religion, zu den Gesetzen, bis hin zur Bildung und der Medizin, und wir erhalten die Welt unter Kontrolle aufrecht zu einem stetig wachsenden Preis. Hilflos reagieren wir auf jeden Misserfolg bei der Kontrolle mit mehr Kontrolle, womit wir den Tag der Abrechnung aufschieben und dessen Auswirkungen damit schlussendlich intensivieren. Sobald das soziale, kulturelle und spirituelle Kapital erschöpft ist, sobald unsere Technologie sich als hilflos erweist, die bevorstehenden Krisen abzuwenden, zeichnet sich immer mehr der Kollaps der Welt unter Kontrolle ab. Es ist dieser Kollaps, auf den die gegenwärtig zusammenlaufenden Krisen hindeuten, der die Bühne frei macht für das Zeitalter der Wiedervereinigung. (11 f)
Dieses Buch offenbart die Vergeblichkeit, die Betrügerei und schließlich die Haltlosigkeit des Programms der Kontrolle der Welt, sie zu benennen, sie in Zahlen zu fassen sie zu kategorisieren und sie zu besitzen, die Natur und die menschliche Natur zu überschreiten. Auf diese Weise entblößt wird das Programm seinen Zugriff auf uns lösen, so dass wir es loslassen können, bevor es die allerletzten Überreste des Lebens und der Schönheit auf Erden verzehrt. (13)