Theodore Roszak – Mensch und Erde auf dem Weg zur Einheit: ein Manifest.
Englisch: Person/Planet: the creative desintegration of industrial society.
In seinem 1978 erschienenen Werk untersucht Roszak Probleme wie Ausbeutung, Umweltverschmutzung und psychische Entgleisungen und führt sie auf die Tatsache zurück, dass wir in immer größeren Einheiten zusammengeschlossen werden, während unsere engeren, familiären Beziehungsgeflechte unter den Anforderungen modernen Lebens zermahlen werden. Roszak ist der Ansicht, dass die Industrialisierung zu einer Urbanisierung führte, wie sie die Geschichte noch nicht gesehen hat und dass dieser Trend gleichzeitig eine Vermassung, eine Entpersonalisierung des Einzelnen mit sich brachte. Gigantismus bedroht den Planeten und den Einzelnen gleichermaßen.
“Große Institutionen sind per definitionem dazu da, große Mengen von Dingen und Menschen zu verarbeiten […] Menschliches Empfinden und ethische Sensibilität können hier nicht überleben; das Gefühl persönlicher Verantwortung verliert sich in der grauen Ferne delegierter Autorität. Das Große veranlasst mich (ja zwingt mich), dich wie eine Ziffer zu behandeln – ein nicht nennenswertes Teilchen der Massen, mit denen ich zu tun habe. Sie gibt mir das Recht, deiner lebenswarmen Einzigartigkeit ein abstraktes Verwaltungsverfahren überzubraten und mich dann mit einem Wall aus Formularen und Dienstvorschriften gegen die Folgen abzuschirmen. Wir werden unwirklich für einander”. (S.280)
Abhängig von den Megastrukturen des industriellen Zeitalters kann der Mensch nicht anders, als seine Verbindung zu den inneren und äußeren Wurzeln des Lebens zu verlieren. Er ist unfähig geworden, sich selbst am Leben zu erhalten ohne die Umwelt zu zerstören. Er ist nicht Individuum, sondern Rädchen im Getriebe. Und er ist sogar unfähig, sich Alternativen vorzustellen, während die Strukturen der Gegenwart zu groß sind, um sie allein überblicken oder gar steuern zu können.
Dennoch entsteht gerade eine Gegenbewegung. Ausgehend von den ’68ern beginnt das Mauerwerk des Kapitalismus zu bröckeln. Zwar konnte die Bewegung damals keine direkten Erfolge erzielen, doch ihre Anhänger sickerten in die Gesellschaft ein und lösten dort eine Welle von Unzufriedenheit aus, die sich in psychischen Störungen äußerte: Depressionen, Unsicherheit, Nervosität, Furcht, Aggressionen und viele mehr. Diese führten ihrerseits zu Emanzipationsbewegungen überall dort, wo Benachteiligung Stress erzeugte: bei Frauen, Farbigen, Behinderten, Ausländern usw.
Der Kern dieser Bewegungen sei die Suche nach einer Identität als Person. Nicht narzisstischer Selbstbeweihräucherung, sondern spiritueller Erkundung, die aber angesichts wirtschaftlichen Drucks häufig an der Oberfläche steckenbleibe.
Monarchie, Demokratie, Faschismus, Sozialismus, Kommunismus, Plan- und Marktwirtschaft – sie alle beschäftigen sich lediglich mit gesichtslosen Menschenmassen, “dem” Proletariat, “dem” Wähler, “dem” Konsumenten. Für Personen, für Seelen, für Einzelbedürfnisse ist hier kein Platz. Alle kleineren Bewegungen folgten ihnen bisher in dieser städtisch geprägten Philosophie grober Abstraktion. Der Planet verkommt zur “Umwelt”, zur “industriellen Ressource”. Der Einzelne mit seinen Bedürfnissen verschwindet in statistischen Zahlen.
Doch wo sich Menschen gegen die Entmenschlichung wehren, entstehen Splitterbewegungen bzw. scheitern ganze Gesellschaften. Der Versuch sie auf Linie zu halten, kann den Zerfall bestenfalls verzögern. Oft genug aber beschleunigen solche Auseinandersetzungen den Prozess der Personalisierung. Namhafte Führer tauchen urplötzlich auf und verschwinden eben so schnell wieder, wenn Gruppen zerfasern. Wir beobachten dies andauernd. Es hat sogar Namen: Der Fluch der Linken. Das Chaos der Grünen Bewegung.
Theodore Roszak glaubt, dass wir es hier mit einem unaufhaltbaren Trend zu tun haben, weil Planet und Person dem gleichen Drang nach Anerkenntnis Ausdruck geben, und dass unsere Gesellschaft den Vorgang entweder mitgestaltet oder ihm unterliegen wird.
Roszak schließt, dass Menschen dort, wo sie aus der Konsumtrance erwacht sind, beginnen sollten, die Gesellschaft in handlichere Stücke zu zerlegen. Ungenutzte städtische Flächen zu renaturieren; kleine Gemeinschaften zu gründen, die sich weitgehend selbst versorgen; Selbstverwaltungen einzurichten usw.
Als Modelle für den Wandel bemüht er die Wüstenväter und die Klöster des europäischen Mittelalters, Gemeinschaften, die mit technisch einfachsten Mitteln Wildnis für den Eigenbedarf urbar machten und deren innerer Zusammenhalt aus der gefestigten Personalität ihrer Glieder resultierte. Ökonomie war dort nur ein Element unter vielen. Nicht auf Wachstum ausgelegt, sondern auf Subsistenz. Das Abenteuer der Selbstentdeckung führe damit letztlich zur “Rettung des Planeten”.
Der Autor traf aufgrund der Trends seiner Gegenwart einige Voraussagen auf künftige Entwicklungen bereits in unserer Generation. Manches hat sich bewahrheitet.
Wir erleben tatsächlich einerseits eine beschleunigte Vermassung – z.B. ist aus der kleinen EG die kontinentale EU geworden und es sind bereits Weltwährung und Weltregierung im Gespräch; hinzu kommen Globalisierungseffekte wie Weltmarkt und Multinationale Konzerne.
Andererseits formiert sich Widerstand an allen Fronten. Er nimmt selten so massive Formen an wie z.B. bei Greenpeace, sondern zersplittert sich in kleine und kleinste Grüppchen, bis hin zu der spirituellen Suche des Einzelnen als Keimzelle der Veränderung.