Rayapettay, das kleine Tamilendorf im nördlichen Grüngürtel, sieht ziemlich runtergekommen aus. Trotz der Nähe zu Auroville lassen die Bewohner nicht von ihren überlieferten Traditionen und marktwirtschaftlichem Gelderwerb ab. Die Leute leben in erbärmlichen Hütten und vergammelten Kolonialhäusern. Jeder zweite Eingang ein Store mit irgendwelchem Fertigzeugs. Zwei der Tempelchen werden renoviert, ein dritter abgerissen und neu aufgebaut.
R. holte mich nach Arbeitsschluss mit dem Motorrad in Vérité ab und dann sind wir über teilweise versandete, teilweise holprige Staubpisten vier Kilometeer durch den Busch gefahren. Es könnte einem mulmig werden, doch ich hab ja die Fahrt von Madras gut überstanden, da werd ich R.s tägliche Anfahrtstrecke wohl ebenfalls meistern. Hier draußen breitet sich der Dschungel inzwischen übrigens von selbst aus.
R. lebt mit seiner 60jährigen Mutter in einem Haus mit maximal 25m². Mutter hatte es sichtlich nicht einfach gehabt im Leben. Sie gleicht einer Hundertjährigen.
Im Haus hängen mindestens fünf Bilder von Mirra Alfassa. R. erzählt, er habe zwei sehr schwere Situationen durchgemacht. Darum habe er zur „Mutter“ gebetet und sei umgehend erhört worden. So ist durch die Suche einfacher Leute nach einem Retter wahrscheinlich auch der spirituelle Lehrer Gautama Siddharta zum (nach volkstümlicher Auffassung) Gott Buddha geworden. In Auroville selbst geht man aufgeklärter mit der Vorbildfunktion der Stadtgründerin um, aber natürlich ist sie prinzipiell in Gefahr. Sie hat einmal gesagt, man solle aus der Sache um Himmels Willen keine Religion machen.
Mein Gastgeber führt mich ein wenig durch den Ort. Neben den Hindutempeln gibt es außerdem eine Moschee. Frisch renoviert, versteht sich. Die wenigen Muslime Südindiens vertragen sich scheinbar ganz gut mit den Hindus. Es wird untereinander geheiratet und man lebt Tür an Tür.
Heute war ich übrigens mit dem Radl nochmals im Städtchen, und zwar im „Visitor Centre“. Dabei handelt es sich um eine Anlage, die die Wirksamkeit alternativer Bau- und Energiegewinnungsweisen demonstrieren soll.

Die ständige Ausstellung über das Wesen von Auroville haben sie auch ziemlich schön hingekriegt. Viel luftiger, heller Raum, schön arrangierte Fotos und Kunstgegenstände und knackig zusammengefasste Texte (die aber immer noch ein Büchlein füllen könnten. Der Rest – o Gott! Touristig ohne Ende. Ein Café, zwei Boutiquen, ein Buchladen, alles fancy eingerichtet, bereit dir die letzte Rupie aus der Tasche zu ziehen. Die Verkäufer kamen mir ziemlich ölig vor. Von dieser Ecke werde ich mich künftig fernhalten. Sogar in einer solchen Umgebung gerät Geld zu einem Zerstörer guter Konzepte.
Vérité jedenfalls hat sich als ein ziemlicher Glücksgriff erwiesen. Die Leute leben zwar in getrennten Häusern und Apartments, kommen aber für viele Aktivitäten wie Arbeit und Essen zusammen, stimmenn sich ab, finden auf friedliche Weise einen Konsens. Hier laufen jeden Tag ein, zwei gute Diskussionen, aus denen man etwas mitnehmen kann.
Heute habe ich meine geschundenen Füße etwas länger in den Fischteich im Bürogebäude gehängt. Mückenstiche, Kratzer, Blasen und ein kleiner Sonnenbrand zugleich waren ein bisschen viel für sie. Nach der Behandlung durch die kleinen Viecher fühlten sie sich wesentlich besser an.
Bei der Gelegenheit bin ich mit einer Lehrerin für Sufi-Meditation in Kontakt gekommen, die mich zu ihrem Kurs eingeladen hat. Nächsten Freitag also wird getanzt *lol*
Sie meinte, ich solle mich mal mit Maggie zusammensetzen, die antrainierte Bewegungs-und Haltungsprobleme normalerweise schnell in den Griff bekommt. Klingt nach einem Plan.