Tag im Grünen

Tag im Grünen

Ob es das schon wieder war mit unserem diesjährigen Sommer?
Hmhm… ich wollte nichts riskieren und habe daher meinen geplanten Ausflug ins Grüne, der eigentlich eine Woche, wenigstens aber vier Tage dauern sollte, vorgezogen. Auf einen halben Tag gekürzt konnte er natürlich lang nicht die Wirkung entfalten, die ich mir von ihm versprochen hatte. Ich wollte die Birne komplett freibekommen von all den Dingen, die mich in Routineverhalten zwingen. Entbunden von Alltag müssten mir doch Lösungen einfallen, wie ich den Abschied so schmerzlos als möglich gestalten könnte, ohne den Erfolg meines Vorhabens zu gefährden.

So geriet der vergangene Montag erst mal zum Probelauf.
Morgens um sieben aufgestanden, die am Vortag gepackte Survivalkiste ins Auto und die Umsätze des Sonntags zum Einzahlungsautomaten geschleppt. Danach fuhr ich zu einem Parkplatz am Waldrand. Südlich von Kuchenheim (der Name… 🙂 erstreckt sich ein größeres Waldgebiet in die Eifel hinein, gesperrt für Verkehr, aber offen für Spaziergänger – und durchlöchert von kleineren und größeren Lichtungen, die auf den Luftbildern teils recht isoliert gelegen scheinen. Genau das Richtige!
Kiste auf Sackkarre, Pax vornedraus, ging’s dann hinein in den Wald. Erst die Hauptachse entlang, dann einen Seitenweg rein, und von dort aus irgendwo querwaldein zu einer dieser einsamen Lichtungen. Ich fand dann tatsächlich eine Lücke zwischen den Bäumen, die nach einem ehemaligen Treckerpfad aussah, schon böse von hohem Gras und Brombeerranken überwuchert, aber gerade noch gangbar. Bald zeichnete sich ein Aufhellen zwischen den Stämmen ab – ja, da war was. Der Platz hatte ungefähr 50x60m Abmessung… und er war erst vor ein, zwei Tagen gemäht worden. WTF?
Ich stellte meinen Krempel ab, um einen Rundgang zu absolvieren. Woher war die Mähmaschine gekommen? Wer mäht überhaupt ein Loch mitten im Wald?
Schräg gegenüber fand ich, gut versteckt im Schatten, die Zufahrt. Ich hätte es einfacher haben können, als durch die zugemauerte Hintertür einzubrechen. Ich hätte nur dem Schotterweg zu folgen brauchen, der einen weiten Bogen schlägt.
Lektion 1 gelernt: Der deutsche Wald ist kein Naturprodukt. Lichtungen gibt es nur dort, wo sie erwünscht sind. Sie erfüllen immer einen Zweck. Daher muss jede Lichtung verkehrstechnisch erschlossen sein. Einsamkeit ist hierzulande Luxus.

Ich gab mich also an dieser Stelle mit meiner Wahl zufrieden, baute meinen Klappstuhl am oberen Ende des leicht abschüssigen Geländes auf und begutachtete den Platz: Ein Hochstand in der einen Ecke, vier relativ junge Apfelbäumchen entlang einer Langseite, gegenüber hohe Tannen. Ein schneller Mundraub, dann begab ich mich an die Aufgabe des heutigen Tages: sitzen und warten.

Während ich das langsame Steigen und Wiederherabsinken der Sonne beobachtete, befreite sich mein Verstand von Hektik, von Notwendigkeiten, Plänen, Hoffnungen und allem anderen, womit sich das Ich den ganzen Tag so beschäftigt. Kein Handy, kein Computer, kein Buch, keine Musik. Ich hatte nichts derlei dabei. Während die Stunden vergingen, ohne dass ich einen Menschen zu Gesicht bekommen hätte, ohne dass ich, abgesehen von ein paar hochfliegenden Maschinen, auch nur ein leises Geräusch menschlicher Aktivität gehört hätte, wollte mir ums Verrecken nicht langweilig werden. Ich hatte Zeit ohne Ende. Das Hirn lief leer, dann landete ein Käfer auf meiner Hand. Es füllte sich wieder an – und leerte sich erneut in spürbaren Wellen. Wirklich faszinierend. Ich habe kein Problem mich ans Alleinsein zu gewöhnen, aber ich muss mich über Stunden akklimatisieren, sobald ich mit Menschen in Kontakt komme.

So kann ich mir also die Frage bejahen, ob ich mir vorstellen könnte, auf diesem Stückchen Land zu leben, für immer.
Nun, Ewigkeit ist ein unüberschaubarer Zeitraum, aber ich denke schon, dass ich mich mit diesem Setting dauerhaft wohlfühlen würde. Ich würde mir ein Earthship bauen, Sonnenlicht und Wasser sammeln und Gemüse anpflanzen. Ich müsste mir vorher noch einiges an Wissen bzw. praktischen Fähigkeiten anlernen, aber sonst spräche eigentlich nichts dagegen -außer dem deutschen Staat natürlich, der sich überhaupt nicht vorstellen kann, warum jemand vom Strom-, Wasser-, Kanal- und Straßennetz getrennt sein, warum jemand ohne Krankenversicherung leben oder die Verantwortung für sein Tun selbst übernehmen möchte. Und der solches Treiben rundheraus unmöglich macht.
Voilà. Da zeichnet sich schon von ganz allein ab, wohin die Reise geht!

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